Durch die Röhre voran!

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 4. Februar 2009 um 17:52 Uhr veröffentlicht.

Ein Bericht von Gudrun Beck, Züchterin der Fox Lions Collies und Initiatorin des Hundewald Harz
AronViele kennen den Lauf des Hundes durch den Stofftunnel als Agility-Aufgabe oder die Arbeit durch Betonröhrensysteme zu einem versteckten “Opfer” in der Rettungshundeausbildung mit Schwerpunkt Trümmerarbeit. Aber auch ohne konkreten Anlass ist eine solche Aufgabe sinnvoll. Viele Hunde, besonders die, die den Stofftunnel bereits früh kennenlernten, werden mit keiner Röhre je ein Problem haben und auf das Kommando “Tunnel” oder “Durch die Röhre voran!” fröhlich überall durchlaufen. Manche Hunde zeigen jedoch zunächst Ängste und Widerstand. Sie sollten diese Übung vorsichtig beigebracht bekommen. “Wieso denn?”, mag ein interessierter Leser fragen. Und hier ist die Antwort:

1. Er wird mutiger. Der Hund lernt einerseits, claustrophobe Ängste zu überwinden. Er muss während der Ausführung ohne Herrchen/Frauchen auskommen und sogar von diesem weg arbeiten.

2. Das Vertrauen und die Bindung zu Herrchen/Frauchen wird gestärkt, weil der Hund  anfängliche Ängste überwindet und einsieht, dass das, was man sich von ihm wünscht, gar nicht gefährlich ist, sondern ein lustiges Spiel darstellt, was toll belohnt wird. Er wird sich auch in anderen Situationen, die ihm Angst machen, besser führen lassen.

3. Man hat eine Abwechselung mehr auf Spaziergängen, auf denen man geeignete Röhren findet. Viele Hunde beginnen aus Langeweile zu jagen oder andere Unarten zu entwickeln, weil sie viel zu wenig Aufgaben definiert bekommen. Damit es ihnen bei Herrchen/Frauchen nicht langweilig wird und man etwas hat, worüber man sich gemeinsam freuen kann.

4. Es stärkt Herrchens/Frauchens Dominanz, weil der Hund etwas tun muss, was er ursprünglich nicht wollte.

Beispiel: Unser Amerikanischer Collie-Deckrüde Fox Lions Drago

Das obere Foto zeigt den bereits 15-jährigen “Aron vom Staatsforst”, unseren ersten Amerikanischen Collie-Deckrüden. Fox Lions Drago, ein Enkel (untere Fotos), kam mit fast 3 Jahren umständehalber zu uns zurück. Inzwischen ist er als Amerikanischer Collie-Deckrüde bei uns im Zuchtverein anerkannt. Er war als kleiner Colliewelpe verkauft worden, hat über 2-einhalb Jahre in einer Familie gelebt und war jetzt eben wieder Teil meiner Zuchtgruppe. Ein sehr gut erzogener Hund, der nur in ganz bestimmen Situationen ängstlich zögerte oder sogar verweigerte.

Als er im Herbst gerade 3 war, lernte ich eine solche Situation kennen. Auf einem Spaziergang durch den Wald machten wir an einer Betonröhre halt, die einen kleinen Bach unter einem Forstweg durch ableitet. Ich ließ die Rudelgefährten fröhlich durch diese Röhre laufen und belohnte sie für jeden Durchgang mit einem Leckerli. Alle machten mit, bis auf Drago. Ich versuchte kurz, ihm Hilfestellung zu geben, indem ich ihn am Halsband zum Röhreneingang führte. Beim Versuch, ihn in die Röhre zu lenken, sträubte er sich, sprang mit seinen 30 kg wild beiseite, riss sich los. Die Bedingungen für weiteres Üben waren an dem Tag denkbar ungünstig: Der Boden war matschig, so dass ich mich auch ohne widerspenstigen Hund an der Hand kaum auf den Füßen halten konnte. Es regnete und der Bach war relativ breit. Ich beschloss, an einem geeigneteren Tag hier systematisch mit ihm zu üben und ignorierte ihn erst einmal. 1:0 für Drago. Solche Siege sollten die absolute Ausnahme sein im Hunde-Alltag!

Ende Januar 2009 waren die Bedingungen ideal: Lang anhaltender Frost hatte die Röhre und ihr Umfeld trocken gelegt, so dass Scheu vor Wasser als zusätzliche Hemmung schon mal wegfiel. Der Schnee lag einen halben Meter hoch um die Röhre herum, ließ Ein- und Ausgang aber offen. Wie im Herbst, ließ ich die Rudelgefährten fröhlich “Durch die Röhre voran!” ausführen und gab jedem, sowie er bei mir wieder ankam, ein Leckerli. Alle bis auf Drago beeilten sich, möglichst schnell und oft durch die Röhre zu kommen. Drago sprang ausgeregt kläffend auf dem Forstweg und neben der Röhre herum. Ich schaffte es in Momenten, wo wir alleine waren, für ihn Leckerlis im Eingangsbereich vor der Röhre fallen zu lassen, so dass er sich dem Eingang stärker nähern musste, um diese einzusammeln. Da er dabei aber immer schnell Konkurrenz hatte, leinte ich die Rudelgefährten an und machte sie ein paar Meter weiter an einem Baum fest. Jetzt konnte ich gezielt für Drago sogar Leckerlis bis 1 m in die Röhre hinein werfen und er traute sich, sie zu holen, war aber immer schnell im Rückwärtsgang wieder draußen. Er begann, seine Ängste zu überwinden. Genug für diesen Tag.

Drago 4Tags drauf nahm ich außer den Leckerlis auch eine zusätzliche Leine mit. Diesmal befestigte ich die Sammelleine mit den Rudelgefährten gleich an einem Baum und holte die Hunde einzeln ab, um sie durch die Röhre laufen zu lassen. Erst einmal nahm ich die dran, von denen klar war, dass sie es gut machen würden. Drago sollte in aller Ruhe zusehen. Das Rudel kläffte vor Aufregung. Zuletzt war also Drago dran. Ich wiederholte die Leckerli-Übung des vergangenen Tages, ließ Drago dabei aber angeleint. Schließlich versuchte ich, ihm den Rückweg zu versperren und so mein “Durch die Röhre voran!” durchzusetzen. Dieser Versuch löste seinen Widerstand aus. Er drängelte mich aus dem Eingangsbereich und begann, wild herumzuspringen, um sich loszureißen wie an seinem 1:0-Tag. Ich war darauf gefasst und verhinderte mit beiden Händen an der Leine, dass er es schaffte. Derweil lag ich im Schnee. Ich war weich gefallen. Es machte mir also nichts aus. Ich konzentrierte mich auf das Festhalten der Leine und wartete kommentarlos ab, bis Drago sich beruhigt hatte. Dann ging ich mit ihm zum anderen Ende der Röhre. Kaum erkannte er, was ich vorhatte, begann die Hüpferei wieder. Auch hier konnte ich mich nicht auf den Füßen halten und lag im Schnee. Seine 30 kg hatten gegen meine 50 kg auf unregelmäßigem Untergrund am steilen Hang im Schnee erst einmal wieder gewonnen. Ich richtete mich halb auf, konzentrierte mich wieder allein darauf, die Leine festzuhalten, schaute in den blauen Himmel, die Bäume, was auch immer, nur nicht zu Drago. Er beruhigte sich und ich setzte erneut an, ihn an den diesseitigen Eingang der Röhre zu bringen. Das gleiche Spiel begann. Ich hatte die anderen Hunde ordentlich jenseits des Weges festgemacht, so dass sie außer Gefahr waren, selbst wenn ein Fahrzeug vorbeigekommen wäre. Wir waren allein. Ich hatte Zeit. Drago sollte erleben, dass die Nummer mit dem Losreißen bei mir nicht funktioniert. Schließlich sah Drago ein, dass wir so nicht weiterkamen. In seiner nächsten ruhigen Phase hüpfte er zu meiner großen Freude in die Röhre hinein! Spielstand: 1:1. Mit beiden Händen verhinderte ich, dass er mir im nächsten Moment vor die Füße sprang und tatsächlich – mein “Voran!” wurde befolgt. Ich ließ die Leine los. Er schlich in ängstlich geduckter Haltung Schritt für Schritt durch die Röhre. Das andere Ende kannte er ja schon. Ich sagte gar nichts mehr, um ihn auf keinen Fall abzulenken. Als ich durch die Röhre sah, wie er die Röhre verließ, kam mein bestätigendes “Fein! Drago, fein!”. Drago sprang aufgeregt kläffend auf dem Forstweg und knapp daneben herum. Diesmel zeigte ich Freude, so deutlich ich konnte, sprang selbst auf den Fortweg hoch, winkte, hüpfte mit ihm gemeinsam übermütig herum und belohnte ihn mit händeweise Leckerlis. Genug für heute. Ein toller Erfolg! Schließlich brauchte ich das “Platz!”-Kommando, um ihn wieder anleinen zu können. Wir gingen alle zusammen in aller Ruhe nach Hause. Drago erzählte mir noch den halben Weg über von seiner mutigen Tat und baute übermütig Spielaufforderungen ein, auf die ich jedoch nicht eingehen konnte.

Drago 5Einen Tag später stellte ich mein Rudel erneut am Baum ab, ließ die “Experten” einzeln ihre Übung zeigen und hatte schließlich Drago an der Leine. Den ersten Versuch, ihn von dem Ende der Röhre zu schicken, wo ich die anderen gestartet hatte, gab ich schnell auf, noch bevor er richtig ins Meideverhalten gehen konnte. Nein, die Seite, von der er es gestern gemacht hatte, war natürlich die bessere. Ohne großes Theater sprang er dann auch brav hinein und schlich los, ohne sich umzudrehen. Von Schritt zu Schritt ging er aufrechter und schneller. Große Freude und Aufregung beiderseits, als er am anderen Ende die Röhre verlassen hatte. Reichliche Belohnung. Jetzt stellte ich mich an den anderen Eingang der Röhre, der eben noch sein Ausgang war und siehe da, ganz von selbst kam Drago auf die Idee, an mir vorbei in sie hineinen und durch sie hindurch zu laufen! Wieder große Begeisterung und gleich nochmal! Jetzt wollte Drago “druch die Röhre voran”. Nach sinem 3. fröhlichen Durchgang von dieser Seite beschloss ich, es sei genug für diesen Tag. Auch an diesem Tag benötigte ich das “Platz!”-Kommando, um ihn wieder anleinen zu können. So aufgeregt sprang er herum. Auch zu Beginn des Heimwegs war er noch recht aufgedreht.

Noch einen Tag später brauchte ich die angehängte Einzel-Leine kein einziges mal in die Hand zu nehmen. Drago flitzte von Anfang an von beiden Seiten begeistert durch die Röhre, nahm freudig seine Leckerchen entgegen und verzichtete auf die ganz große Aufregung. Ich brauchte kein Kommando, um ihn schließlich wieder anzuleinen. An diesem Tag entstanden die beigefügten Fotos. Drago hat seither kein Problem mehr mit dunklen Röhren und ähnlichen Durchgängen. Er ist jetzt genauso cool wie die anderen Rudelgefährten. Ich bin froh, dass ich denen diese Übung bereits im Welpenalter beibringen konnte, bei weit weniger als 30 kg!

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2 Kommentare zu „Durch die Röhre voran!“

  1. Petra Bork sagt:

    Hallo Gudrun,

    toller Erfolg für Euch beide! Den anfänglichen Kampf gegen seine Angst um deinen Wunsch die “üble” Röhre zu durchqueren zu erfüllen, hat Drago ja dann doch recht zügig gewonnen. Schön dass du hier auch beschreibst, dass man gerade weil man im Moment des Glücks abbricht und es mal “Genug sein lässt” einem zunächst ängstlichen Hund so schön bestärken kann und sein Selbstvertrauen, aber eben auch das Vertrauen in Dich steigert.

    Ich glaube aber auch, dass gerade weil du es ihm erst jetzt, wo schon Angst da war, schmackhaft machen konntest auch dein eigenes Glücksgefühl um so größer war. Einem Welpen den Tunnel zu zeigen ist schließlich um EINIGES LEICHTER! Gerade solche Erlebnisse und etwas längeren Übungs-Momente schweißen einen doch aber dann auch zusammen. Das kenn ich von mir mit meiner verrückten Lucie.

    Weiter viel Spass und bis demnächst,
    Petra, Lucie und Indy

  2. jennet sieg sagt:

    das ist echt sehr gut beschrieben und hat auch sehr viel spaß gemacht es zu lesen…..
    bitte auf rüch antwort……