Gassi Training ~ Erziehung und Spiele für unterwegs

Dieser Beitrag wurde am Dienstag, 10. März 2015 um 13:23 Uhr veröffentlicht.

Bruns_SeidenstickerEine Rezension von Gudrun Beck, Züchterin der Fox Lions Collies

Zweispaltig geschrieben und mit vielen aussagekräftigen Farbfotos illustriert, ist dieses Buch wirklich gut zu lesen. Das verwendete Deutsch ist leicht verständlich. Etwas ungeschickt ist die Wahl von Grau als Schriftfarbe auf Weiß bei Zwischenüberschriften und in Info-Boxen. Da muss ein leicht sehbehinderter Leser schon mehrmals hinschauen, um den Inhalt zu erfassen.

Insgesamt aber ein sehr schönes und nützliches Buch voller guter Ideen, wie man aus langweiligen Spaziergängen Abenteuer und Erlebnis-Events für sich und seinen Hund machen kann. Auf den ersten 73 Seiten geht es in erster Linie um Übungen zum Erlernen und Festigen des Grundgehorsams. Im Hauptteil folgen spezielle Aufgaben und Beschäftigungsmöglichkeiten, die der artgerechten Auslastung des Hundes und der Teambildung mit “seinem” Menschen dienen. Besonders hilfreich sind die letzten Unterkapitel “Wenn die Übung nicht klappt” zu jeder Aufgabe. Hier werden mögliche Fehlerquellen aufgezeigt und Ideen geäußert, wie man es besser macht. Wer auch nur einen Bruchteil der Anleitungen umsetzt, läuft schon kaum noch Gefahr, dass sich der eigene Hund aus Langeweile immer mehr absetzt und verselbständigt. Alle Anleitungen sind rein positiv aufgebaut. Als Motivation wird oft ein Leckerli, ein Superleckerli oder Supersuperleckerli empfohlen, aber auch Spiel, Schnüffeln dürfen, Sozialkontakt oder, was sonst dem Hund gerade wichtig wäre.

Ruhige Übungen wie das “Bleib!”, z. B. nach “Sitz!” oder “Platz!”, werden sinnvollerweise ruhig belohnt, also vorzugsweise mit Leckerli, wohingegen in Action-reichen Momenten, wie z. B. beim Abruf eines durchstartenden Hundes, schnelle, schnittige, noch mehr Action versprechende Belohnungen wirksam sind wie z. B. das Werfen eines Balles.

Als einzige Korrekturmaßnahme wird der Einsatz von Leine oder Zaun zum eher passiven Verhindern unerwünschter Alternativ-Handlungen genannt. Nicht zum Erfolg zu kommen, soll Anreiz genug sein, das Gewünschte auszuprobieren, das dann zum Erfolg in Form der Belohnung führt. Zur Bestätigung, dass der Hund gerade das Richtige tut, gehört vor der Belohnung ein Markerwort wie “Ja!” oder “Fein!” oder ein spezielles Klicken, das in dieser Situation immer eingesetzt wird.

Ein “Nein” im Sinne Anton Fichtlmeiers fehlt ebenso wie die bewusste emotionale Abstufung des “Ja!”, je nachdem, wie wichtig dem Besitzer die zu belohnende Handlung war. Bruns empfieht sogar den Klick eines Knackfroschs (“Clicker”) als Alternative zum “Ja!” mit der eigenen Stimme, gerade weil er für den Hund unverwechselbar gleichlautend bleibt. Hier widersprechen sich die Autoren. Mir persönlich hilft ein “Nein!” in vielen Situationen, aufwändiges, rein positiv angelegtes Training nicht zu brauchen und viel schneller zum Erfolg zu kommen, wenn es z. B. darum geht, Gefundenes nicht zu fressen. Auch habe ich beobachtet, dass bewusst eingesetzte Abstufungen von “Ja!” und “Nein!” bei genügend sensiblen Hunden durchaus zu schnellerem Lernen führen. Ein, wie ich finde, positiver Seiteneffekt ist, dass eine angemessene “Nein”-Konditionierung zu einem gesunden Respekt dem Menschen gegenüber beiträgt, der im Alltag ein Segen ist. In einer guten Eltern-Kind-Beziehung kommt das Wort “Nein” auch vor, ohne Schaden anzurichten. Ich denke, davor hat Bruns Angst: Dass in diesem Zusammenhang zu brutal auf den Hund eingewirkt und damit Ängste aufgebaut werden. Das darf natürlich nicht passieren. Hier ist an das Einfühlungsvermögen des Besitzers zu appellieren, dass er an der Wirkungsschwelle bleibt: So sanft wie möglich, aber so deutlich wie nötig.

Einen konkreten Verbesserungsvorschlag hätte ich zu dem Problem, dass der Hund zu “Allez Hopp!” beim Überspringen eines relativ niedrigen Hindernisses mit den Pfoten aufsetzt, statt über das Hindernis zu fliegen. Hier wird von Anfang an aus der “Sitz und bleib”-Position heraus gearbeitet. Das nimmt den Hund zu sehr aus dem Trieb. Er läuft zu langsam an das Hindernis heran und braucht daher das Aufsetzen. Schnelles, freudiges Mitlaufen, am besten auch gemeinsames Überspringen der Hürde genügt in der Anfangsphase, um die berührungsfreie Variante hinzubekommen und belohnen zu können.

Gefährlich finde ich im Umgang mit großen Hunden die Idee, im Zuge der Leinenführigkeitsübung Zug nur am Halsband zu unterbinden und am Führgeschirr zu erlauben (S. 67). Auf Seite 107 wird geraten, den Hund am Fahrrad am Führgeschirr zu führen, da es für den Hundehals so am ungefährlichsten sei. Wenn ein großer Hund dann in einer für ihn sehr aufregenden Situation unerwartet durchstartet, wird es für den Radfahrer lebensgefährlich! Im Gegenteil würde ich empfehlen, einen großen Hund entweder am Halsband oder sogar am Kopfhalfter (z. B. “Halti”) ans Rad zu nehmen. An letzteres muss er allerdings erst einmal in aller Ruhe gewöhnt werden. Solange die Leine durchhängt, ist es für Hund und Halter egal, an was die Leine am Hund befestigt ist. Sollte unerwartet Zug aufkommen, kann der Hund so weniger Kraft übertragen und besser korrigiert werden. Zur Sicherheit für den Hund kann ein Stück Gummileine oder ein Stoßdämpfer eingesetzt werden, so dass auf keinen Fall ein Ruck entsteht, der für die Halswirbelsäule des Hundes gefährlich wäre.

Eine weitere gefährliche Stelle habe ich auf S. 109 gefunden: Hier muss es im Zusammenhang mit dem vor seinem Hundeführer an gespannter Leine herjoggenden Hund “Hüftgurt” statt “Bauchgurt” heißen. Leider habe ich schon ungeschickte Hundebesitzer gesehen, die selbst mit so starken Hunden wie einem Husky ihre eigene Gesundheit an Wirbelsäule, Knien und Hüften riskierten, weil sie zu blöd waren, den Gurt um ihren eigenen Schwerpunkt zu arretieren. Der liegt nicht auf Höhe von Bauch und Hohlkreutz, sondern tiefer um Hüfte und Hintern. Zum Schutz der Hundeführer sollte darauf hingewiesen werden.

Sehr gut sind zum Schluss des Buches die Empfehlungen zum Aufbau von Impulskontrolle, also Selbstbeherrschung des Hundes, und Managment von Alltagssituationen, die den Hund aufregen können, wie z. B. Hundebegegnungen.

Auf jeden Fall ist dieses Buch eine Bereicherung für alle Hundebesitzer, die eine intensive Beziehung zu ihrem Hund anstreben und sich und ihren Hund unterwegs nicht langweilen wollen.

Gassi Training – Erziehung und Spiele für unterwegs
Dr. Sandra Bruns und Anett Seidensticker
Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG,
Stuttgart, 2015
136 Seiten, Paperback
ISBN: 978-3-440-14294-3
14,99 € (D)
15,50 € (A)

 

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