Grunderziehung für Welpen

Dieser Beitrag wurde am Freitag, 26. September 2014 um 16:05 Uhr veröffentlicht.

Eine Rezension von Gudrun Beck, Züchterin der Fox Lions Collies

Fichtlmeier_DSC_9376Endlich mal ein Hundeerziehungs-Buch, das wirklich hält, was es verspricht. Seine 24,99 Euro ist es auf jeden Fall wert. Ich möchte es bereits an dieser Stelle nicht nur allen Welpenbesitzern und werdenden Welpenbesitzern ans Herz legen, sondern auch allen anderen Hundefreunden, die sich für eine erfolgreiche Kommunikation Mensch-Hund interessieren. Die ersten, allgemeinen Kapitel mögen dem durchschnittlich gebildeten Leser etwas schwierig erscheinen, aber sich in die Materie hineinzudenken lohnt sich. Weiter hinten wird es sprachlich einfacher und praktisch umsetzbar. Es ist gut strukturiert aufgebaut und spannend zu lesen.

Fichtlmeiers Kommunikations-Konzept ist sehr natürlich und erscheint im ersten Moment völlig selbstverständlich: Es ist binär, basierend auf Erfolg und Misserfolg, richtig und falsch, das Gewünschte verstärkend und das Unerwünschte verleidend. Es genügt ein hohes, freudiges “Ja!” und ein tiefes, geknurrtes “Nein!” mit ehrlichen Gefühlen und entsprechender Mimik, Gestik und Körpersprache. Er lehrt uns, uns für den Hund deutlich genug auszudrücken und damit verständlich zu machen. Wir brauchen als Hilfsmittel keinen Clicker-Knackfrosch und kein anderes Hilfsmittel, außer vielleicht den Spiegel, vor dem wir üben, unsere Stimmung klar und unterscheidbar zu signalisieren. Außerdem sollten wir zur positiven Verstärkung jederzeit mit einem Griff in die Tasche Leckerlis hervorzaubern können, wenn es etwas positiv zu verstärken gibt. Was wir als Hundehalter noch können müssen, ist der spontane Wechsel der Stimmung und des Ausdrucks, um SOFORT die richtige Antwort auf das momentane Verhalten des Hundes geben zu können. Lässt er z. B. etwas, was wir eben noch mit einem scharfen “Nein!” verboten haben, und zeigt eine erlaubte oder sogar erwünschte Handlung, so muss diese SOFORT bejaht werden.

Anders, als viele andere moderne Autoren setzt er nicht auf Ignorieren und Stillhalten zum Korrigieren von Unarten wie in Körperteile beißen, in der Hoffnung, nicht Erfolg zu haben, sei genug, um den Hund dazu zu bringen, dieses Verhalten fortan zu lassen, sondern gibt mit seinem “Nein!” eine klare Ansage der Art: “Wenn Du das nicht augenblicklich lässt, gibt es Ärger!” Wie “Ärger” dann aussehen kann, ist von der Sensibilität des Hundes abhängig. Auf die Wirkung kommt es an. Das ist sehr sinnvoll, da viele Unarten selbstbelohnend sind. So schreibt er neben ein Foto von einem Welpen, der gerade einen Fuß im Maul hat: “Dieses Verhalten zu ignorieren zeigt dem Hund nicht, dass ein Fuß kein Kauknochen ist.”

Er setzt stärker auf Gestik und Körpersprache als auf gesprochene Signale, da seiner Beobachtung nach – und er beobachtet seit über einem Vierteljahrhundert – “Geplapper” Hunde eher verwirrt als lenkt und viele Hundebesitzer aus Sicht ihrer Hunde unberechenbare “Verhaltenszombies” sind.

Er geht einerseits stark auf die emotionale Ebene des Welpen ein, indem er z. B. dem Welpen stundenlanges Kontaktliegen ermöglicht, setzt aber andererseits auch sehr konsequent Grenzen. Wege zu verlassen ist z. B. streng verboten, auch und gerade in Wald und Flur.

Er gibt schöne Anleitungen zur Erziehung zur Ruhe und für gemeinsame Umwelterfahrungen. Er setzt auf Tauschgeschäfte, um dem Hund etwas sanft abnehmen zu können und erklärt auch das Apportieren darüber.

Was ich persönlich schade finde, ist, dass er Zerrspiele und Bällchen-/Stöckchenwerfen kategorisch ablehnt. Das Buch ist voller sinnvoller Aufgaben, aber zu den Möglichkeiten des Menschen als Spielpartner habe ich nichts gefunden außer der Warnung, dass Spiel unter Umständen eben nicht Spiel bleibt.

Aus meiner Arbeit in Rettungshundestaffeln weiß ich, dass das Zerrspiel um eine Beißwurst als Bestätigung weit motivierender wirken kann, als das leckerste Leckerli. Ich kann gerade über das Tauziehspiel Hunde zum triebstarken Apportieren motivieren, die sich vorher kaum oder, vielleicht rassebedingt, gar nicht für Sachen aufnehmen und bringen interessierten. So sind meine Collies alle gute Schwimmer geworden, die mir ihr Spielzeug begeistert aus dem See holen. Mit dem Zerrspiel als Belohnung kann ich auch Hunde motivieren, die auf Leckerlis nicht anspringen. Er hat Angst, dass der Hund aus dem spielerischen Beutestreiten heraus plötzlich ernst macht und es von seinem Gegenüber wissen will, so wie Hunde aus scheinbarem Spiel heraus mitunter zu raufen beginnen und sich in einem ernsten Kampf wiederfinden. Bei gut untergeordneten Hunden sehe ich die Gefahr nicht. Allerdings muss man wohl bei sehr selbständigen Vertretern wenig unterordnungsbereiter Rassen tatsächlich vor einer solchen Entwicklung Angst haben, was seinen Einwand rechtfertigt.

Die Auslastungsmöglichkeit durch Werfen eines Spielzeugs und bringen lassen, möchte ich nicht missen. Eine Fixierung auf Herrchen/Frauchen durch ein solches Spiel, kann meiner Erfahrung nach gerade dem Wildhetzen entgegenwirken. Er hat Angst, dass der so hochgepuschte Hund zur Sichtjagd erzogen wird und beim nächsten aufspringenden Stück Wild durchgeht. Seine Ängste mögen im Umgang mit Jagdhunden berechtigt sein. Meine Collies beginnen zu stöbern und zu hetzen, wenn sie sich langweilen. Sie nehmen solche Apportierspielchen gut an als Ersatz. Außerdem bieten solche Spiele mir die Möglichkeit, ein Abbruchkommando während des Spielzeugwerfens einzuüben, den Hund z. B. auf halber Strecke zum geworfenen Gegenstand ins “Platz!” zu ordern. Funktioniert es hinter dem “flüchtenden” Spielzeug 100-prozentig, ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass es auch hinter einem flüchtenden Hasen funktioniert, falls mein Hund dann gerade zum Hetzen ansetzt.

Bis auf diese zuletzt angesprochenen Details bin ich ganz seiner Meinung. Dieses Buch ist allen Hundefreunden zu empfehlen:

Grunderziehung für Welpen
Anton Fichtlmeier
Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG,
Stuttgart, 2014
240 Seiten, Hardcover
ISBN: 978-3-440-13413-9
24,99 €

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