Jagdverhalten bei Hunden ~ Der Weg zum zuverlässigen Begleiter

Dieser Beitrag wurde am Sonntag, 6. September 2015 um 12:59 Uhr veröffentlicht.

Jagdverhalten_MREine Rezension von Gudrun Beck, Züchterin der Fox Lions Collies

Die beiden erfahrenen Hundeexperten Martin Rütter und Sandra Buisman haben uns hier auf insgesamt 128 Seiten einen schönen Überblick über das hundliche Jagdverhalten geliefert. Durch den weitgehenden Verzicht auf wenig bekannte Fachvokabeln und Fremdwörter, ist dieses Buch leicht und schnell für jedermann lesbar und verständlich. Was eine Schleppleine ist, wird erst nach und nach klar. Diesen Begriff hätte man genauer erklären können, wo er das erste Mal vorkommt.

Sehr schön ist die Erklärung der vollständigen jagdlichen Handlungskette vom Orten potentieller Beute mittels Augen, Ohren und Nase über das Fixieren mit den Augen, Anschleichen, Hetzen, Packen, Töten und Fressen. Es folgt eine Unterscheidung von Hundetypen je nach ursprünglicher Verwendung und züchterischem Einfluss auf diese Handlungskette. 

Je nachdem, an welchen Stellen sie abgeschwächt oder verstärkt wurde, müssen wir auch bei reinen Familienhunden mit bestimmten Vorlieben rechnen. So bieten sich für die einzelnen Typen unterschiedliche Jagdersatzspiele an, die mit besonderer Begeisterung gespielt werden und den Jagdtrieb auf gesellschaftlich vertretbare Bahnen lenken. Wir finden Anleitungen zum Apportieren für Apportier- und Vorstehhunde, zu Hetzspielen mit der Reizangel für Windhunde und andere Sichtjäger und zu Suchspielen für Nasenarbeiter aller Art. Beim Aufbau des Apportierens fehlt mir als Motivationsmöglichkeit das spielerische Beutestreiten. Viele Hunde lassen sich bei zunächst offenbar fehlender Motivation dadurch doch hoch in den Trieb bringen, etwas zu Frauchen/Herrchen zurückzutragen, wenn ein herrliches Tauziehspiel um die Spielbeute folgt. Dieses Spiel motiviert weit stärker, als es ein Futterbröckchen tun könnte, das den Hund erst einmal aus dem Trieb nimmt und die Handlungskette des wilden Spiels damit unterbricht. Vor zu einseitiger Auslastung durch monotones Werfen immer des gleichen Gegenstands wird vor dem Hintergrund gewarnt, dass gerade Hütehunde sonst leicht zu Balljunkies verkommen und während des Spiels immer weniger ansprechbar werden. Die Fixierung sollte dem Hundeführer gelten, nicht einem Gegenstand.

Der Hauptteil des Buches beschäftigt sich mit der idealen Aufzucht und anlagengerechten Beschäftigung und Auslastung, die Jagdverhalten von Anfang an unter Kontrolle hält und unerwünschtes Jagen gar nicht erst zulässt. Schön beschrieben ist auch das Antrainieren eines Abbruchsignals, das den drauf los jagenden Hund sofort stoppt (“Impulskontrolle”).

Das rein positive “raus da!”-Training, das den Hund aus dem Wegrandbereich zurück auf den Weg bringen soll, funktioniert bei meinen intelligenten Collies so nicht. Wenn ich für jedes auf den Weg Zurückkehren ein Leckerli geben würde, würden meine Hunde mich den ganzen Spazierweg über damit beschäftigen, dieses Kommando einzusetzen, um ein Leckerli nach den anderen geboten zu bekommen. Sie würden es witzig finden, vom Weg abzubiegen, um von mir zurückgerufen und belohnt zu werden. Da ist es schon gut, dass meine das “Nein!” kennen. So halte ich meine Hunde auf dem Weg, ganz ohne Leckerli. Wie man das vielseitig verwendbare “Nein!” dem Hund erklärt, kommt in diesem Buch leider nicht vor.

Ganz interessant ist, dass dem Antijagd-Training nur ganz wenig Platz zum Ende des Buches gewidmet wird. Der Leser, der genau auf diese Ausführungen scharf ist, weil sein Hund bereits unerlaubt hetzt, wird zurück geschickt zu den vorangegangenen Kapiteln. Erst dann, wenn eine verbesserte Ausbildung, Auslastung und der erfolgreiche Einsatz von Jagdersatzspielen nichts nutzt, möge man sich an einen guten Hundetrainer wenden, der unerwünschtes Jagdverhalten gezielt verleidet, aber bitte ohne Stromreizgerät. Schließlich wird auch in Betracht gezogen, dass es für manch einen jagigen Hund ein Leben an der langen Leine geben kann. Organisiert man einem solchen Hund Spielmöglichkeiten in genügend hoch und sicher eingezäunten Ausläufen, kann er auch glücklich alt werden.

Jagdverhalten bei Hunden
Martin Rütter und Sandra Buisman
Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG,
Stuttgart, 2015
128 Seiten, Paperback
ISBN: 978-3-440-14389-6
14,99 € (D)
15,50 € (A)

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