Der Mensch-Hund-Code
Dieser Beitrag wurde am Dienstag, 19. April 2016 um 21:48 Uhr veröffentlicht.Eine Rezension von Gudrun Beck, Züchterin der Fox Lions Collies
Günther Bloch und Elli H. Radinger liefern uns in diesem Buch 176 Seiten voller psychologischer und kynologischer Erkenntnisse, z. T. sehr genau belegt an jahrzehntelanger Beobachtung von Wolfsrudeln, frei lebenden Hunderudeln, gemischten Pensionshundegruppen und der Hundetrainerszene. Eine spannende Mischung aus allgemeinen Ansichten, speziellen Berichten und nützlichen Details.
Die Autoren räumen auf mit alten Mythen und falschen Schlussfolgerungen, die leider auch heute noch verbreitet das Zusammenleben und Training von Menschen mit Hunden belasten. So gibt es keine vererbte Rudelstellung und auch keinen alles entscheidenden, totalitären und brutalen “Alphawolf”. Die dominanteste Figur im Rudel frei lebender Caniden ist meist ein weibliches Tier, das aber längst nicht immer in der Führungsposition läuft oder Entscheidungen trifft. Das Übermarkieren brauchen wir nicht als Dominanzgeste einzuordnen, sondern als Zeichen des Zusammengehörens und der Gruppenbindung. Nackenschütteln soll Beute töten und hat in der Hundeerziehung nichts verloren. Zur Disziplinierung eines Hundes reicht oft ein leichter Griff über den Fang.
Herrlich undogmatisch, wie wir die Autoren kennen, schlagen sie sich auf keine Seite im Methodenstreit. Stattdessen gehen sie mit den sich besonders erfolgreich vermarktenden Trainerkollegen hart ins Gericht: “Mitverantwortlich für Ignoranz oder Unkenntnis über soziale und umweltbedingte Zusammenhänge ‘typischen’ Hundeverhaltens sind unter anderem diejenigen Vertreter der Hundeszene, die um die Vermarktung ‘ihrer’ Methode wetteifern” (S. 146). Eine kleine Verhaltunskorrektur wie das Ziehen an der Leine sollte keine 1.200 Euro kosten. Auch sollte eine Verhaltenskorrektur weder als Hau-Ruck-Methode mit Gewalteinwirkung verkauft werden, noch 15.000 Wiederholungen erfordern. Dieses Buch ist ein Appell an den gesunden Menschenverstand. Es rät, kritisch im Umgang mit den “Experten” der Hundeszene umzugehen und auf das eigene Bauchgefühl zu hören, wenn etwas merkwürdig erscheint. Es hilft, nicht auf Scharlatane hereinzufallen.
Auf S. 70, zu Beginn des Kapitels “Hundeverhalten lernen”, wird klargestellt, dass der Schlüssel zum Erfolg darin besteht, möglichst viel über Hundeverhalten zu lernen. Hunde lieben gemeinsame Rituale und Spiele. Wer führt, hat Vorbildfunktion. Aggressiv pöbelnde Menschen haben aggressiv pöbelnde Hunde. Wer von seinem Hund ernst genommen werden will, muss auch auf dessen Bedürfnisse eingehen. Geschickte Führung beruht auf auf der – zumindest ansatzweise versuchten – “Verhundlichung” des Menschen, nicht auf der Vermenschlichung des Hundes. Hund bleibt Hund!
Ein überaus unterhaltsames, lehrreiches Buch, dessen Anschaffung sich lohnt.
Der Mensch-Hund-Code ~ Selbstbewusst durch den Dschungel der Hundeszene
Günther Bloch und Elli H. Radinger
Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG,
Stuttgart, 2016
176 Seiten, Hardcover
ISBN: 978-3-440-13410-8
19,99 € (D)
20,60 € (A)