Powerspiele für Hütehunde

Dieser Beitrag wurde am Samstag, 13. Dezember 2014 um 08:14 Uhr veröffentlicht.

Karina_MahnkeEine Rezension von Gudrun Beck, Züchterin der Fox Lions Collies

Der Tierärztin und Verhaltenstherapeutin Karina Mahnke verdanken wir diesen wirklich hilfreichen Ratgeber, der speziell für Freunde von Hütehunden verfasst ist, aber auch Hundefreunde anderer triebstarker Hunderassen interessieren sollte. So befasst sie sich in eigenen Unterkapiteln zum “großen Hütespiel” mit Varianten speziell für Vorsteh-, Stöber-, Apportier-, Wasserhunde und Terrier. Das “große Hütespiel” kommt ganz ohne zu hütende Tiere aus. Zur Motivation, als Schäfchen- bzw. Beute-Ersatz, dient ein für Apportier- und Zerrspiele geeignetes Hundespielzeug, das sich der Hund aber erst erarbeiten muss. Die Belohnung für erfolgreiche Arbeit besteht dann im Zerr- und/oder Apportierspiel mit diesem Gegenstand. Dem Umrunden bestimmter Landschaftselemente wie Bank, Baum, Gehölzgruppe, Strohballen u. dgl. kommt in diesem Spiel eine besondere Bedeutung zu. Hierbei darf der Hund schnell werden und sich so richtig auspowern, muss sich aber jederzeit auf Kommandos gefasst machen wie abstoppen müssen, andersherum geschickt werden oder sich in die Platzhaltung legen lassen. Einerseits muss auch ein Hütehund bei der Arbeit an der Herde permanent ansprechbar bleiben und eng mit den Hirten kooperieren. Andererseits neigen triebstarke Hütehunde dazu, sich bei zu wenig Kontrolle und Konzentration in ein Erregungsniveau hochzusteigern, das Suchtcharakter hat und zum völligen Irrsinn des Hundes führen kann. Spielzeugjunkies, die immer nur ein Spielzeug geworfen bekommen wollen, um in den Erregungsrausch des dauernden Hetzens zu kommen und dabei die Welt um sich herum nicht mehr wahrzunehmen, sind zu vermeiden. “Konzentration ist der Gegenspieler zur Erregung” heißt es dazu völlig zurecht. So wird der Hundehalter angehalten, in jedem Spiel rechtzeitig vor der Übersteigerung der Erregung Konzentrationsübungen abzuverlangen. Die Autorin weist darauf hin, dass nicht jedes Spiel für jeden Hund geeignet ist und dass zum ernsthaften Packen neigende Hunde für Zerrspiele nicht infrage kommen.

In diesem Ratgeber sind darüber hinaus viele gute Beispiele für Aufgaben enthalten, die man mit Clickertraining anlernen kann. Wüssten Sie z. B., wie Sie Ihrem Hund beibringen könnten, das Licht anzuknipsen? Oder das Würfeln zu übernehmen, wenn ein Gesellschaftspiel angesagt ist? Bei der Anguckübung wird darauf hingewiesen, dass keinesfalls das Fixieren belohnt werden darf, da man sonst Gefahr läuft, das Hüten von Menschen anzulernen, was fatale Folgen haben kann. Nur ein entspanntes Ansehen und Erwarten des nächsten Befehls oder einer Belohnung ist erwünscht.

Ganz wichtig ist, schon den jungen Hütehund kontrolliert zu führen. Zu einem Durchgehen z. B. an einer Schafherde, auf die man während einer Wanderung trifft, darf es gar nicht erst kommen. Hetzen ist selbstbelohnend. Der Hund, der in den Rauschzustand des Hetzens erst einmal gekommen ist, will diese Erfahrung wieder haben. Die Rückorientierung auf den Hundeführer bei Beutekontakt neu aufzubauen, wird so deutlich erschwert. Sie beschreibt, wie Hüte- und Jagdverhalten schon im Ansatz zu erkennen und auf ungefährliche, gesellschaftlich akzeptierte Bahnen umzulenken ist. Weglaufende Tiere sind wahrhaftig nicht das einzige, was ins Beuteschema eines Hütehundes passt, Fixieren und Hetzen auslösen kann. Was passt noch? Alles, was sich bewegt! So kann sich ein junger Hütehund, der eine sich drehende Wäschetrommel beobachten darf, schon den Erregungs-Kick holen, in einen Hütewunsch hineinsteigern, der sich später ganz woanders in “Problemverhalten” entläd. Hätten Sie gedacht, dass ein aus dem Heckfenster nachfolgende Autos beobachtender Hütehund genau dabei die Vorstellung entwickeln kann, sein fixierender Blick könnte Autos auf Abstand bringen oder anhalten? An der letzten roten Ampel hat es doch so gut funktioniert! Dass ein Hütehund beim anschließenden Versuch, außerhalb des Autos fremde Autos zu hüten und zu stellen, sein Leben und einen schweren Unfall im Straßenverkehr riskiert, sollte klar sein. Also sollte ein solcher Hütehund den Ausblick während der Fahrt z. B. durch eine Transportbox verbaut bekommen. Wehret den Anfängen!

In diesem Buch geht es auch um viele andere alltägliche Situationen und wie man sie mit Hütehund trotz seiner Eigenarten meistert. Geeignete Hundesportarten werden vorgestellt. Die Anleitung zur Erziehung zu Ruhe und Entspannung zuhause darf natürlich nicht fehlen.

Ein Buch, das ich jedem empfehle, der schon einen Hütehund hat oder die Anschaffung eines solchen in Erwägung zieht. Ein Buch, das aber auch allen anderen Hundefreunden neue Erkenntnisse und Ideen liefern kann.

 
Powerspiele für Hütehunde
Boder Collie, Australian Shepherd & Co. rassegerecht beschäftigen
2., aktualisierte Auflage, 67 Farbfotos
Karina Mahnke
Eugen Ulmer KG
Stuttgart, 2013 und 2015
128 S., Paperback
ISBN 978-3-80001-8435-4
12,90 € (D), 13,39 € (A)

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