Hunde ~ erziehen und beschäftigen, ganz einfach

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 24. September 2014 um 10:52 Uhr veröffentlicht.

DSC_9374aEine Rezension von Gudrun Beck, Züchterin der Fox Lions Collies

Vorhin begegnete mir der zweijährige Sammy mit seinem Frauchen. Ein mittelgroßer Langhaariger von ca. 25 kg. Wie immer freute er sich, mich zu sehen. Er kennt mich von klein auf. Ich streichelte ihm über die Mähne. Erschreckt stellte ich fest: “Was ist das denn?! Ein Stachelhalsband?!”- “Hat mein Trainer mir empfohlen.” – “Wieso das denn?” – “Weil ich ihn so schneller bei Fuß kriege, hat er gesagt.” – “Ein Hund, der aus Unsicherheit mitunter schnappt, soll nun mit dem Biss in den Hals in Begegnungssituationen an Sicherheit gewinnen?!” – “Ja, nur vorübergehend.” – “Ich sage Dir was passiert: Du machst aus Deinem unsicheren Hund einen aggressiven. Er wird die unangenehme Erfahrung einmal mehr mit der ihm suspekt erscheinenden Person verknüpfen, der Ihr gerade begegnet und die für ihn logisch erscheinende Konsequenz daraus ziehen, sich demnächst noch heftiger gegen Fremde zu wehren.” Zweifel beschlichen mich, ob es eine gute Idee gewesen war, diesem Team den Besuch einer Hundeschule empfohlen zu haben. Gelandet sind sie in einem SV (Schäferhund-Verein), der zwar für alle Hundetypen Unterricht anbietet, sogar zu einem ausgesprochen fairen Preis, aber dabei offenbar mit quälenden Zwangsmitteln arbeitet, die der Vergangenheit angehören sollten. Soweit die Realität, wie vor 100 Jahren. Wir haben das Jahr 2014. Kaum zu glauben! Ich empfahl, “Sitz!” am Wegrand gegen ganz tolle Leckerchen schon dann machen zu lassen, wenn eine Person von weitem sichtbar wird und den Hund solange damit abzulenken, bis die Person sicher vorbei ist. Natürlich soll sie die Leine im Moment nächster Nähe zur Sicherheit des Passanten kurz halten und sich selbst zwischen Hund und fremder Person aufhalten. Das normale, feststehende Halsband reicht bei diesem Hund völlig, um die Kontrolle zu behalten und ggf. einen versuchten Schnapper zu unterbinden.

Als Kontrastprogramm zur eben erlebten Realität lese ich “Hunde – erziehen und beschäftigen, ganz einfach” von Christiane Blenski. Ein Buch, das suggeriert, jedes Problem, das sich im Hundler-Alltag ergibt, könne völlig gewaltfrei, rein positiv, mit Leckerli oder Spiel als Belohnung, gelöst werden. Schlimmstenfalls ignoriert man Fehlverhalten, damit es sich für den Hund nicht lohnt und er es fortan lässt. Ein Schema-F-Ratgeber, der sich an Schema-F-Besitzer mit Schema-F-Hunden richtet, die genau so verknüpfen, wie es der Theoretiker vorhersieht. Ein Buch, in dem ein und derselbe Ratschlag n mal gegeben wird, was ihn nicht besser macht im Falle von Hunden, bei denen er schon versagte. Denn: Jeder Hund ist anders und längst nicht jeder lernt auf die hier vorgesehene Weise. Für insgesamt 256 Seiten ist es enttäuschend alternativlos in seinen Empfehlungen.

Beispiel Platzhalten. Wie man es rein positiv am besten schon dem Welpen klarmacht, ist so beschrieben, wie wir es von modernen Hundebüchern kennen. Gut so. Was aber, wenn der älter werdende Hund etwas anderes interessanter findet als Frauchens Leckerli? Wenn der, der “Platz!” längst kennt, sich frecherweise darüber hinwegsetzt, dass das “Signal” gegeben wurde? Hier finde ich es wenig hilfreich und überhaupt nicht einfach, nur auf die Wiederholung der Übung setzen zu sollen und nicht einmal zur Erinnerung die Vorderläufe nach vorne ziehen zu dürfen. Worauf warten wir? Mir fehlt das Absichern des Erlernten, eine Anleitung, sich durchzusetzen. Respekt kommt nicht von selbst. Gerade bei “Platz!” hört der Spaß auf. Da finde ich sofortige Korrektur wichtig, auch mit Hilfe der Hände, die natürlich nicht brutal zulangen sollen, aber dem Hund zeigen: “Ich meine es ernst! Du musst das jetzt machen, genau hier und sofort, weil ich es gesagt habe!” Blenski selbst beschreibt die Situation, wenn der Hund einem Hasen nachläuft, der auf eine Straße zusteuert. Hier muss Platz als Notbremse funktionieren. Ich betone: Es MUSS! Auf der anderen Seite zitiert sie den Pferdeflüsterer Monty Roberts mit “Das Tier MUSS nicht, es KANN.” und wünscht sich einen immer aus freien Stücken fröhlich schwanzwedelnd alles für eine Belohnung befolgenden Hund – auch beim “Platz!”. In der Situation KANN der Hund eben auch überfahren werden, wenn die Hasenjagd nun mal interessanter schien als Frauchens Leckerli. Schlimmstenfalls kommen in dem Unfall auch Menschen zu Schaden!

Beispiel Anspringen: Natürlich soll der Hund das lassen, obwohl es unter Hunden ein völlig normales Begrüßungs- und Spielverhalten ist, das sich aus der Welpenfütterung der Mutterhündin ableitet, die Mitgebrachtes nach Anstupsen der Schnauze hervorwürgt. Ein alter Mensch, der plötzlich von einem großen Hund angesprungen wird, kann lebensgefährlich stürzen. Was also ist zu tun, um Menschen vor solch einer ungestümen Begrüßung zu schützen? Sie propagiert das sich Abwenden und Ignorieren im Moment des Angesprungenwerdens. Nur das. Sonst nichts. Was, wenn der Hund nun meint, deutlicher werden zu müssen und zur Verstärkung seiner Begrüßungsgeste – spielerisch, versteht sich – in die Haare, oder, schlimmer noch, in Arm oder Schulter beißt? (Ich habe solche Hunde erlebt!) Ach ja, “runter!” soll dann rechtzeitig schadensbegrenzend wirken, was man dem Hund zum Sprung aus dem Kofferraum oder von Baumstümpfen usw. bereits beigebracht hat. Dass man dann freiwillig dem doch Angesprungenen anbietet, die Reinigung seiner Klamotten zu bezahlen, ist zwar korrekt, aber eigentlich nicht das, was das Buch verspricht. Wenn man Pech hat, und der Hund gebissen hat, kann der Betroffene sich ans Amt wenden und einen “gefährlichen Hund” aus dem Anspringer machen lassen mit Leinen- und Maulkorbpflicht.

Andererseits gibt dieses Buch durchaus viele nützliche Tipps z. B. zu den Themen “Hund und Baby”, “gutes Benehmen als Hundeführer” und “richtig spielen” mit vielen schönen Beispielen, die es durchaus lesenswert machen. Über das reine Lernprogramm hinaus sind nette Geschichtchen aus dem Alltag einer Anfängerin eingestreut. Auch die vielen bunten Fotos sind gut gemacht und aussagekräftig. Für 14,99 Euro ist wirklich viel drin.

Hunde ~ erziehen und beschäftigen, ganz einfach
Christiane Blenski
Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG,
Stuttgart, 2014
256 Seiten, Paperback
ISBN 978-3-440-13403-0
EUR 14,99 (D) und 15,50 (A)

 

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