Der Hundeführerschein des DHVE

Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, 16. Juni 2016 um 07:45 Uhr veröffentlicht.

DSC_0925bEine Rezension von Gudrun Beck, Züchterin der Fox Lions Collies

Der Hundeführerschein des DHVE

“Den Hund im Alltag sicher führen” ist das im Untertitel erklärte Ziel des Hundeführerscheins und dieses Buches. Bei der vorgestellten Hundeführerschein-Version handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Hundeführerscheine des BHV e. V. (Berufsverband der Hundeerzieher/innen und Verhaltensberater/innen e.V.) und der IG Hundeschulen e. V. Das Buch ist sehr schön logisch aufgebaut. Kapitel für Kapitel wird Grundwissen vermittelt und Anleitung gegeben, wie man mit Hilfe positiver Bestärkung und antrainierter Alternativ-Verhaltensweisen zum gesellschaftsfähigen Partner auf vier Pfoten kommt. Am Ende jedes Kapitels werden die Nummern der Fragen aufgelistet, die man nach der Lektüre korrekt beantworten können müsste. Jedem, der erwägt, sich einen Hund anzuschaffen, und erst recht jedem, der gerade einen Hund angeschafft hat, ist dieses Buch trotz der nachfolgenden Kritikpunkte wärmstens zu empfehlen.

Formale Kritik:

Etwas unglücklich gewählt ist die sehr kleine Schrift, die allerdings eine Seitenzahl von 192 ermöglicht und damit den Preis gering hält. Noch unglücklicher gewählt ist die teils sehr dunkle Farbe in den Hintergründen der Hinweiskästen. Deren Inhalt wird dadurch besonders schwer lesbar. Die Verkleinerung der Fotos macht die Details, die man sehen sollte, zum Teil unsichtbar. Gut, dass im Text beschrieben ist, was man sehen sollte, z. B. den gekräuselten Nasenrücken im obersten Foto auf S. 76.

Inhaltliche Kritik:

Etwas seltsam erscheint mir auf S. 37 der Rat, einem beißfreudigen Junghund oder Welpen dadurch zu mehr Sanftheit zu verhelfen, dass man ihm sachte über die Lefzen streicht. Bei dem Versuch kann der übermütige Jungspunt erst recht die Hand erwischen! Gerade dann, wenn der Kleine ohnehin aufgedreht ist und schnappen will, sollte man dieses Risiko nicht eingehen. Der auf der vorigen Seite gegebene Rat ist da schon besser, nicht laut zu werden und anders zu spielen, nämlich mit Spielzeug, in das der Hund beißen darf und das man auf Abstand zu den eigenen Händen hält. Mir fehlt in diesem Zusammenhang eine Anleitung, wie man einem Hund Grenzen setzt.

Auf S. 45 geht es um die Gewöhnung an das Autofahren. Im letzten Abschnitt “Denken Sie daran:” heißt es: “Bei einem schon ängstlichen Hund, dem auch übel wird, besorgen Sie sich Reisetabletten beim Tierarzt und trainieren Sie erst dann gezielt. Solange Ihrem Hund schlecht wird beim Fahren, wird kein Training der Welt helfen.” Meine Erfahrung ist, dass das Erbrechen bei dazu veranlagten Welpen nicht unbedingt mit Angst zu tun hat und nach 4-6 Monaten auch ohne Medikamente von selbst verschwindet, wenn man sie oft genug im Auto zu hundefreundlichen Zielen mitnimmt.

Weiter heißt es: “Und denken Sie auch daran, dass bei einem Hund, der Angst hat, nicht außerhalb des Trainings mit dem Auto gefahren werden darf, um das Training nicht kaputt zu machen.” Wie soll der Hund dann aber zum Tierarzt kommen, um seine Impfungen zu erhalten? Die sind meist recht bald nach dem Abholen des Welpen dran, auch wenn der Welpe die Grundimmunisierung bereits hat. Bis dahin ist das Training garantiert nicht abgeschlossen.

Auf S. 50 unten heißt es: “Verwenden Sie die Schleppleine immer nur im Zusammenhang mit einem Brustgeschirr. Wenn der Hund mit der Leine plötzlich gestoppt wird, besteht sonst die Gefahr, dass sich der Hund durch den plötzlichen Ruck an der Halswirbelsäule verletzt.” Mir sind Fälle von schwer verletzten Hundeführern bekannt, die hinter ihrem an der langen Leine im Brustgeschirr plötzlich durchstartenden großen Hund durch die Gegend geflogen sind. Meine menschenfreundlichere Empfehlung bei mindestens mittelgroßen Hunden: Gummileine oder Stoßdämpfer in Verbindung mit feststehendem Halsband einsetzen!

S. 90: “Sobald Ihr Hund bei Ihnen lebt, sollten Sie ihn mit einem Mikrochip kennzeichnen lassen und vom Tierarzt untersuchen lassen.” Auf diese Weise erhielt so manch ein Hund seinen zweiten Chip! Die meisten Hunde, die abgegeben werden, sind bereits gechipt. Weiter heißt es: “Ein Mikrochip ermöglicht die eindeutige Identifikation des Hundes, falls er mal verlorengehen sollte.” Nein! Der Chip alleine reicht dafür nicht. Erst die Eintragung der Chip-Nummer und der Adresse des Besitzers in einer Datenbank wie dem internationalen Heimtierregister TASSO ermöglicht die Zuordnung zum Besitzer.

Auf S. 104 heißt es: “Hunde sind Beutegreifer und benötigen Fleisch in ihrer Nahrung neben vielen weiteren Dingen”. Das ist nicht richtig. Hunde stammen zwar von Beutegreifern ab, haben sich aber im Zuge der Domestikation zu Allesfressern entwickelt, die für ihr Hirn vor allem Kohlenhydrate benötigen. Impulskontrolle (Selbstbeherrschung) ist nicht nur Trainingssache, sondern auch abhängig davon, ob der Hund in ausreichendem Maße Kohlenhydrate zu fressen bekommt. Es gibt vegetarisch ernährte Hunde, die problemlos gesund alt werden, und es gibt mit zu viel Fleisch ernährte Hunde, die das nicht schaffen und zudem ein permanentes Problem mit Angst und mangelnder Selbstbeherrschung haben, weil ihnen Kohlenhydrate fehlen.

Auf S. 116 heißt es nochmal zur eindeutigen Identifikation mittels Mikrochip: “Der Transponder ist ein Mikrochip, auf dem die Daten des Hundes fälschungs- und kopiersicher untergebracht sind. Er wird unter die Haut des Hundes implantiert und identifiziert den Hund ein Leben lang.” Soweit mir bekannt ist, gibt es nur Mikrochips, die eine international eindeutige lange Nummer ablesen lassen, sonst nichts. Die “Daten des Hundes” sind dem EU-Heimtierausweis zu entnehmen, in dem die Nummer des Chips mit vermerkt ist. Außerdem gibt es Datenbanken wie oben angegeben, in denen der Nummer Besitzer-Adresse und evtl. weitere Angaben zugeordent sein können, wenn der Besitzer die Eintragung hat vornehmen lassen.

S. 118, unten in der braunen Hinweisbox heißt es: “Eine gültige Hundehaftpflichtversicherung mit ausreichender Deckung ist Voraussetzung, um zur Prüfung zugelassen zu werden…” Hier hätte ich eine konkrete Angabe erwartet, wie hoch die Deckung denn mindestens zu sein hat.

S. 124 werden die drei Stufen bzw. Schwierigkeitsgrade vorgestellt, in denen man die praktische Prüfung ablegen kann. Mir fehlt eine Angabe dazu, wer welche Stufe für was brauchen kann. Die erste Stufe mit den minimalen Anforderungen wird als Hundeführerschein von den Verwaltungen anerkannt. Aber was hat man mehr, wenn man die zweite und/oder die dritte Stufe besteht? Wird man während der Prüfung automatisch entsprechend eingeteilt, je nachdem, was das Mensch-Hund-Team kann, oder wird zu Beginn bereits festgelegt, welche Stufe geprüft wird? Ich hätte da noch ein paar Fragen…

 

Der Hundeführerschein des DHVE
Bibi Degn, Katja Frey, Dr. Katrin Hagmann, Eike Müller und Ariane Ulrich
Mensch Hund! Verlag,
Zossen, 2016
192 Seiten, Paperback
ISBN: 978-3-9816047-3-3
12,90 €

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