Wir sind ein Team ~ Hunde fair trainieren mit Anja Petrick

Dieser Beitrag wurde am Freitag, 21. Januar 2022 um 09:47 Uhr veröffentlicht.

DSC_3295aEine Rezension von Gudrun Beck, Züchterin der Fox Lions Collies

Anja Petrick, die Hunde-Expertin von “Wir in Bayern” im BR Fernsehen hat in diesem Ratgeber die wichtigsten Ansätze zur modernen, gewaltfreien Hundeerziehung zusammengefasst. Die meisten Problemfelder, denen man als Hundehalter begegnet, werden beackert. In gutem, einfachen Deutsch geschrieben, zweispaltig, mit farblich abgesetzten Hintergrundinformationen und stichpunktartigen Zusammenfassungen, vielen Farbfotos und Fotosequenzen ist es ansprechend gestaltet, leicht verständlich und gut umsetzbar.

Natürlich bleiben aufgrund der Kürze Fragen offen: “Was aber, wenn…”. Zu speziellen Problemen sind schon ganze Bücher geschrieben worden wie z. B. über Leinenaggression oder Trennungsangst. Und selbst in diesen gibt es Grenzen, so dass empfohlen wird, sich in bestimmten Fällen an speziell geschulte Fachleute zu wenden. Anja Petricks Ratgeber sollte gelesen werden, bevor ein Hund angeschafft wird. Er ermöglicht es seinen Lesern, viele Probleme gar nicht erst entstehen zu lassen. Manch ein Leser wird sich vielleicht sogar eingestehen, dass es in seiner eigenen Situation nicht klug wäre, überhaupt einen Hund anzuschaffen, da gute Hundeerziehung und artgerechte Haltung sehr viel Zeit und Geduld erfordert und wahrscheinlich nicht zu leisten sein würde.

Im Detail bin ich nicht von allem überzeugt, was Anja Petrick schreibt. So mag sie einerseits recht haben, dass ein Rückruf-Kommando wie  “schau mal her!” weicher, freundlicher und spezifischer klingt als das althergebrachte “Hier!”. Wenn ich mir aber meinen Hund heranrufen möchte, der sich gerade weit entfernt befindet, dringt ein scharfes, lautes “Hier!” doch wesentlich weiter zu ihm durch als diese nette, in der Nähe gut einsetzbare Aufforderung. Mein Kommando “Hier!” kann ich mit hoher Stimme leise ausgesprochen selbstverständlich in der Nähe auch nett und freundlich verwenden. Durch die bewusst eingesetzte hohe Stimmlage ist dieses “Hier!” in meinem Sprachgebrauch für den Hund gut unterscheidbar vom gleichen Wort im normalen Redefluss. Als Markerwort, das alternativ zu einem Clicker-Klick eine Belohnung unmittelbar nach einer guten Tat ankündigt, empfiehlt sie ein kurzes, speziell dafür eingesetztes Wort wie “Click” oder “Top”. Ich bin für “Ja!”, wiederum höher ausgesprochen als normal, weil es weniger Selbstdisziplin beim Hundeführer verlangt, der sich die neue Vokabel selbst erst einmal antrainieren müsste. Immerhin kommt es bei dieser Belohnungsankündigung sehr auf das korrekte Timing an. Es sollte wirklich sofort auf die gute Tat folgen. Als Gegenspieler dazu verwende ich ein tief ausgesprochenes “Nein!”, dass ich ebenso intuitiv in jeder brenzlichen Situation zuverlässiger verwenden kann als ein zweisilbiges “Tabu!”, das ich in meinem Kopf vor Schreck vielleicht nicht schnell genug wiederfinden würde. Selbst wenn ich es rechtzeitig aussprechen würde, bräuchte ich dafür doch länger als für ein “Nein!”.

Bei der uneingeschränkten Empfehlung für Geschirr statt Halsband, um kontraproduktive Leinenrucke am Hals auszuschließen, fehlt mir die Betrachtung der Fälle, in denen Mensch Hund daran nicht sicher festhalten könnte, da Hund groß und stark, Mensch aber relativ klein und schwach sein kann. So wird das Gespann zum Sicherheitsrisiko! Den Einsatz von Halsband oder Kopfhalfter in solchen Fällen sollte sie doch in Betracht ziehen, idealerweise natürlich mit Hinweis auf die Gefahren, die sich nun wiederum daraus ergeben.

Widersprechen möchte ich ihr in dem Kapitel, in dem es um Pflegemaßnahmen geht. Ihre Hunde dürfen die Pflegesession jederzeit beenden. Meine nicht. “Wat mut, dat mut” sagt man bei uns im Norden. Nicht alle Pflegemaßnahmen werden als angenehm empfunden. Einen gut überstandenen unangenehmen Moment belohne ich selbstverständlich. Aber dann geht’s weiter bis fertig. Soviel Respekt gönn ich mir.

Schließlich empfiehlt auch diese Autorin die von mir schön öfter beanstandete 5-Minuten-pro-Lebensmonat-Regel. Um den Welpen nicht zu überfordern, soll ein Spaziergang nur 5 Minuten pro Lebensmonat lang sein. Ein 10 Wochen alter Welpe dürfte demnach nur 10 Min. kurze Spaziergänge machen. In der Zeit würden meine Welpen nicht einmal ihre Geschäftchen erledigen, geschweige denn, draußen etwas Neues lernen können.  In städtischem Umfeld mag es oft anders sein. Da ist es – je nach Umfeld – vielleicht wichtig, Reizüberflutung zu vermeiden. Unsere Wald- und Wiesenwege sind da eher reizarm. Um den nächsten Bürgersteig an einer Straße zu treffen, bin ich bereits eine Viertelstunde mit meinen Welpen unterwegs. Um Ängste vor Autos abzubauen, müssen wir auf jeden Fall ein Stück die Straße entlang. Bis wir wieder daheim sind, ist über eine halbe Stunde vergangen. Hat meinen Welpen aber noch nie geschadet.

Wir sind ein Team
Anja Petrick
2021, München Verlag, ein Imprint der Langen Müller Verlag GmbH, lizenziert durch die BRmedia Service GmbH
127 Seiten
ISBN 978-3-7630-4064-3

18,00 € (D)

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