Affe trifft Wolf ~ Dominieren statt kooperieren? Die Mensch-Hund-Beziehung

Dieser Beitrag wurde am Freitag, 27. April 2012 um 10:03 Uhr veröffentlicht.

Eine Rezension von Gudrun Beck

Als ich dieses Buch bestellte, war ich aufgrund des Untertitels skeptisch: Haben die beiden längst gut bekannten Autoren Bloch und Radinger jetzt die Hundeerziehung neu erfunden, um durch ihre Provokation einen Bestseller zu platzieren?

“Kooperieren” klingt viel besser als “Dominieren”. Ist Dominieren jetzt plötzlich out? Sollen wir mit unseren Hunden jetzt nur noch kooperieren, Spielchen spielen, Sachen suchen? Was ist Dominanz? Dominant ist, wer führt. Müssen wir Hundehalter nicht alle unsere Hunde dominieren, damit es nicht zu Unfällen kommt? Doch, das klare Aufstellen von Regeln bleibt auch weiterhin die Aufgabe des Menschen. Daran rütteln die Autoren nicht, beschreiben es sogar im Zusammenhang mit dem Umgang mit ihren eigenen Hunden.

Was die Autoren unseren affenartigen Vorfahren zuschreiben, ist ein aufbrausend-gewaltbereites Beherrschen schwächerer Familienmitglieder, wie es bei Wölfen um seiner selbst Willen nicht vorkommt. Canidentypisch ist dagegen ein meist von friedlichem, freundlichem Miteinander bestimmtes Familienleben. Dabei kommt es zu sozialen Verhaltensweisen, die bei Affen nicht beobachtet werden, wie z. B. gemeinsam Vorräte anzulegen, neu Erlerntes an die Nachkommen weiter zu geben und sogar eine andere Spezies als Haustier zu halten.

So heißt die Bezeichnung bestimmter Indianer für Raben nicht umsonst “Augen der Wölfe”. Es ist wohl tatsächlich so, dass die zu einem Wolfsrudel gehörende Rabenfamilie ihre Jungraben auf die Wolfswelpen prägt und umgekehrt. Als Späher helfen sie aus der Luft, Kadaver zu sichten, die sie alleine nicht geöffnet bekämen. So leben Raben und Wölfe in Nordamerika zumindest häufig in Symbiose. Möglicherweise ist die Bereitschaft zu artübergreifender Kooperation bei Caniden genetisch fixiert. Das kann die Ko-Evolution von frühen Menschen und Wölfen begünstigt haben – Domestikation, gesehen als ein gegenseitiger Prozess, eine eng miteinander verzahnte Entwicklung. Im Ergebnis sind wir Menschen auch nicht besser, als so ein Köter (*grinz*). Aufgeräumt wird mit so mancher Überheblichkeit, was den Menschen als besonders über das Tier erheben sollte.

Wölfe waren die ersten “Hirten”, da sie große Herden von Karibus schon begleiteten, bewachten und sich selektiv aus deren Bestand bedienten, lange bevor Frühmenschen es ihnen abschauten. Selbst das Begräbnis von toten Familienmitgliedern haben möglicherweise Caniden erfunden. Was unsere affenartigen Vorfahren noch alles von Wölfen und frühen Hunden gelernt haben können, steht in diesem Buch, das ich mit großer Spannung und Freude in einem durch gelesen habe.

Obwohl es nicht in erster Linie Erziehungsratgeber ist, werden doch etliche nützliche Tipps für die Praxis gegeben. Nicht zuletzt der, sich kein Dogma, keine “Methode” aufquatschen lassen zu müssen. Schluss mit dem Affentheater! Statt sich als unbeherrschter Primatenchef aufzuführen, sollten wir uns mit elterlicher Gelassenheit und Einfühlungsvermögen auf unsere Hunde und deren Bedürfnisse einlassen.

Alles in allem ein Buch voller moderner Erkenntnisse, neuer Beobachtungsergebnisse sowie Ansichten und Gedankengänge zum Thema Familienmitglied Hund, denen ich mich guten Gewissens anschließen kann.

Affe trifft Wolf ~ Dominieren statt kooperieren? Die Mensch-Hund-Beziehung
Günther Bloch und Elli H. Radinger
Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG,
Stuttgart, 2012
192 Seiten, gebundene Ausgabe
ISBN 978-3440132067
EUR 19,99

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