Hunde Forschung aktuell ~ Anatomie, Ökologie, Verhalten
Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, 18. Juni 2020 um 10:17 Uhr veröffentlicht.Eine Rezension von Gudrun Beck, Züchterin der Fox Lions Collies
Mit diesem Buch richten sich Dr. Udo Gansloßer und Kate Kitchenham an alle Hundefreunde und Experten, die es genau wissen möchten. Wie weit ist die Wissenschaft 2019 rund um den Hund? Was von dem, was als Hundewissen kursiert, ist wissenschaftlich bewiesen? Wie wurde der Beweis erbracht? Leser mit akademischer Vorbildung sind klar im Vorteil. Andere müssen evtl. das ein oder andere Wort nachschlagen. Im Großen und Ganzen ist dieses Buch aber sehr gut lesbar und allen Hundlern zu empfehlen. Erklärtes Ziel der Autoren ist, dass diese Sammlung wissenschaftlicher Erkenntnisse viele gute Impulse für ein glückliches Miteinander zwischen Menschen und Hunden liefern möge. Von unglaublich vielen aufwändigen Experimenten und Messungen wird berichtet, die nötig sind, um zu beweisen oder zu widerlegen, was wir längst zu wissen schienen.
Ich denke, der aufmerksame Leser wird sich in bestimmten Situationen demnächst tatsächlich anders gegenüber seinem Hund verhalten. So lernt er hier, dass er auf keinen Fall die Begrüßung durch seinen Hund ignorieren sollte, wie es lange von Trainern empfohlen wurde. Kastrationen sind nur bei tiermedizinischer Indikation vertretbar, wenn man dem Hund anders nicht helfen kann und die Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen sind (s. u.).
Weitere Beispiele für aktuelle Forschungsergebnisse:
Die Kastration ist KEIN Mittel gegen Aggression, sondern birgt ganz im Gegenteil das Risiko, dass der Hund aggressiv wird. So steigt die Wahrscheinlichkeit, gegenüber Menschen aggressiv zu werden, bei den mit 7-12 Monaten kastrierten Hunden auf 26 %. Der häufigste Grund für aggressives Verhalten sind ungünstige Lernerfahrungen, denen anders zu begegnen ist, als mit Kastration. Freie Interaktion ist wichtig, um friedlich zu bleiben.
Missverständnisse unter Hunden beruhen oft auf angezüchteten Merkmalen wie Kurznasigkeit und Fell im Gesicht.
Das Erleben von Emotionen unterscheide sich zwischen Mensch und Hund eher graduell als grundsätzlich. So beweist ein steigender Cortisolspiegel, einhergehend mit Unruhe und Unterwürfigkeitsbekundungen, dass Hunde Mitleid empfinden, wenn Kinder weinen.
Soziale Kontakte und Umwelterfahrung sind weit wichtiger als andressiertes “Sitz, Platz, Fuß”. Selbstbeherrschung als Ergebnis von Training und Persönlichkeit, Spracherkennung, Langzeitgedächtnis und vieles mehr wurden genau untersucht. Das Erlernen von Neuem muss in kleinen Einheiten erfolgen, damit es im Schlaf danach zu einer Festigung des Erlernten kommen kann. Zeigegesten funktionieren oft besser als Worte und emotional betonte Äußerungen des Besitzers funktionieren besser als Clicker-Klicks. Soziales Loben durch einen liebevollen Besitzer ist effektiver als Leckerlis. Hündinnen suchen mehr Kontakt zum Menschen als Rüden.
Das Wachstumshormon, das je nach Konzentration im Blut Hunde unterschiedlich groß werdern lässt, lässt altern. Da sind die Kleinen klar im Vorteil. Ein bestimmter Schutzfaktor gegen das Altern ist bei Kastraten inaktiv. A-Typen, die eher forsch voran gehen, als abwartend im Hintergrund zu bleiben, altern schneller als B-Typen, deren Zellteilung insgesamt langsamer abläuft. Ein Zusammenhang zwischen reinrassig oder gemischt und altern besteht nicht. Stress verringert die Lebenserwartung. Zusätzlich zu einem guten Alleinfuttermittel gegebene Vitamine und Mineralstoffe in Form von Obst und Gemüse verbessern die Lernfähigkeit alter Hunde und halten geistig fit. Kastration fördert Demenz. Nahrungsergänzungsmittel, die freie Radikale binden, können hilfreich sein. Ein hohes Maß an Inzucht schwächt das Immunsystem.
Artgerechte Aufzucht verringert das Risiko, dass Hunde später innerhalb der eigenen Familie beißen. Es liegt bei Hunden aus seriöser Zucht bei <8 %, bei Massenzucht bei 15-16 % und bei Tierschutzhunden bei 25 %. Welpentests können nichts über die spätere Eignung als Gebrauchshund aussagen. Der Prüfling sollte dafür 18-21 Monate alt sein.
Darf ein Hund voll integriert in der Familie leben, spielen, vielleicht auch im Schlafzimmer schlafen, hat er ein wesentlich geringeres Risiko mit ADHS aufzufallen. Straßenhunde, die z. B. in Indien lange beobachtet wurden, lieben das Nichtstun mehr als “Auslastung”.
Kastration vergrößert das Risiko für Lymphdrüsen-, Mastzell- und Knochenkrebs, Kreuzbandrisse und andere orthopädische Probleme, Autoimmunerkrankungen, Schilddrüsenunterfunktion und Verhaltensprobleme.
Neugierig auf Mehr? Dann lesen Sie dieses Buch!
Udo Gansloßer und Kate Kitchenham
2019, Franckh- Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG,
Stuttgart, 2019
432 Seiten Text, 249 Farbfotos, 21 Illustrationen, Hardcover
ISBN 978-3-440-15644-5
45,00 € (D)