Kind und Hund – mit Martin Rütter

Dieser Beitrag wurde am Samstag, 23. Dezember 2017 um 11:19 Uhr veröffentlicht.

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Eine Rezension von Gudrun Beck, Züchterin der Fox Lions Collies

Viele Hunde landen in Familien mit mehr oder weniger kleinen Kindern. Mitunter ist es auch umgekehrt. Der Hund war schon da, als das Kind geboren wurde. Manchmal setzt sich der Wunsch der Kinder nach einem Hund durch. Es sollte aber auch immer der Wunsch der Eltern sein, mit einem Hund zusammenzuleben. Wie harmonisch oder gefährlich die Koexistenz mit dem Hund wird, hängt in erster Linie vom umsichtigen Verhalten der Eltern ab. Es gibt vieles zu beachten, Fehler zu vermeiden. In ihrem neuen Buch fassen Martin Rütter und Andrea Buisman sehr schön zusammen, was die Knackpunkte sind und was oft falsch gemacht wird. Dabei berücksichtigen Sie stets die Altersgruppe, zu der das Kind gehört. Natürlich gibt es große Unterschiede im Verhalten und Verständnis von Babys, Kleinkindern, Grundschulkindern und Teenagern.

Wichtig ist zum Beispiel, dass kleine Kinder niemals mit Hunden unbeaufsichtigt alleine gelassen werden – auch nicht für einen kurzen Moment! Gut ist auch der wiederholte Hinweis, dass Hunde kleine Kinder nicht ernst nehmen, sondern sich eher gleichgestellt fühlen unter der Führung durch die Eltern. Dass Situationen zu vermeiden sind, wo der Hund das Kind “maßregelt” oder “korrigiert” – also beißt.

Vor diesem Hintergrund ist es auch wichtig, dass Gassigehen, Fütterung und Pflegeaufgaben je nach Alter des Kindes oft nicht diesem übertragen werden können, sondern von den Eltern zu übernehmen sind. Was in welchem Alter geht und was noch nicht geht, ist gut ausgeführt.

Schön sind die Anleitungen zur Grunderziehung des Hundes mittels positiver Verstärkung, also für Spiel oder Leckerlis das Richtige zu tun statt aus Angst vor Strafe das Unerwünschte zu lassen, wie es früher meist war.

Sehr schön sind auch die Ausführungen und Beispiele zu angemessener Beschäftigung und Spiel mit dem Hund. Leider erst auf den allerletzten Seiten, die hoffentlich auch gelesen werden, befinden sich Warnungen vor Spielen, die Kinder nicht mit Hunden spielen sollten, weil sie gefährlich werden können: Zerrspiele, die in ernst gemeintes Kräftemessen umschlagen können, Rauf- und Kampfspiele sowie das Fangenspielen.

Was in diesem Buch nicht verraten wird: Wie man einen Hund diszipliniert, der wirklich einmal mit Nachdruck Grenzen aufgezeigt bekommen muss. Zwei Maßnahmen werden empfohlen: Der Schnauzengriff, der auch erklärt wird als festes Fangumfassen mit der Hand, und der “Nackenstoß”, den man sich eigentlich gar nicht vorstellen kann, will man den Hund nicht an der Halswirbelsäule verletzen. Ein wenig schönes Wort, das im Register schlicht nicht auftaucht und tatsächlich nirgendwo erklärt, aber mehrfach verwendet wird. Wahrscheinlich meint er “am Genick niederdrücken”? Das sollte aber doch nicht als Stoß oder Schlag erfolgen!

Ebenfalls nicht so glücklich getroffen ist der Versuch, bestimmte Hunderassen als Familienhunde zu empfehlen. Das Wichtigste, was einen Hund zum Freund der Kinder macht, ist doch dessen Prägung auf Menschen und die Sozialisation in den ersten Lebenswochen und die daran angeschlossene Erziehung und positive Erfahrung, gerade mit Kindern. Die Hunderasse ist doch wirklich nachrangig. Steht auch irgendwo, wird aber leicht überlesen, da die Hunderassenvorstellungen weit mehr Raum einnehmen. Dass die Autoren auf die Vor- und Nachteile bestimmter Rassegruppen hinweisen, hätte gereicht. Dass sie zu fast jeder Hunderassenaufzählung schließlich schreiben “GEEIGNET BIS BEDINGT GEEIGNET” hilft keinem weiter. Eine gewisse Retrieverlastigkeit erklärt sich durch die persönliche Vorliebe der Autorin. Während bei anderen Hunderassengruppen verschiedene Nachteile genannt werden, fehlt bei Retrievern der Hinweis darauf, dass es mitunter schwierig ist, sie vom Sprung ins – oft schmutzige – Wasser abzuhalten. Wenn der zu seinem “Rudel” zurückgekehrte Retriever sich nach dem Planschen schüttelt, ist das nicht so schön neben Kinderwagen oder Kleinkind. Schon etwas fahrlässig finde ich die Bildunterschrift unter einem netten Rottweilerfoto: “Rottweiler sind als Familienhunde geeignet, da sie sehr robust sind und gelassen auf Alltagsreize reagieren”. So pauschal gilt das für keine Hunderasse. Anbetracht der Beißstatistik des Rottweilers und seiner Beißkraft hätte ich mir gewünscht, dass in Bezug auf diese Hunderasse einmal mehr gemahnt wird, auf einen guten Züchter und eine wenig triebige Zuchtlinie zu achten. Die oft viel billiger angebotenen Rottis aus Massenzuchten haben oft ein übersteigertes Beutefangverhalten oder wegen Vernachässigung von Prägung und Sozialisation in den ersten Lebenswochen ein Gefährdungspotenzial, auf das hingewiesen gehört. Normalerweise als scharfer Wachhund für Schrottplätze und Firmengelände geplant, mag ein stets kampfbereiter Rotti dem entsprechen, was viele Rotti-Käufer erwarten: Grimmig soll er aussehen, Eindruck soll er machen! Als Familienhund finde ich diese Hunderasse daher tatsächlich nur BEDINGT geeignet.

Die auch bei Retrievern gelobte Robustheit macht das Zusammenleben zwar insofern einfach, als ein solcher Hund dem Kind kleine Knuffer und Zwacker nicht übel nimmt. Es gibt allerdings auch Pädagogen, die den Wert einer sensiblen Katze oder eines sensiblen Hundes für die Erziehung und Entwicklung eines Kindes höher schätzen, weil eben im Umgang mit solchen Geschöpfen Respekt und Rücksichtnahme umso wichtiger sind und gelernt werden müssen – “nicht weh tun!”. Zu sensiblen Kindern passen sensible Hunde schon deshalb besser, weil solche Hunde im Spiel nicht grob werden und damit das Kind ängstigen würden.

Auch auf die Möglichkeit, einen erwachsenen Hund zu übernehmen, wird eingegangen. Als Vorteil wird genannt, dass ein bereits erwachsener Hund “in der Regel etwas weniger Arbeit bedeutet” als ein Welpe, den man auf jeden Fall noch selbst erziehen muss. Nun kommt es bei einem bereits ausgewachsenen Hund sehr darauf an, welche Erfahrungen er bisher gemacht hat, ob er nun familienverträglich ist oder nicht. Kennenlernen ist wichtig. Darauf wird auch eingegangen. Trotzdem kann man später böse Überraschungen erleben, denn so richtig angekommen ist ein neu aufgenommener ausgewachsener Hund erst nach etwa neun Wochen. Er kann sich dann Verhaltensweisen trauen, mit denen man nicht gerechnet hat – auch gefährliche. Oder aber man kommt irgendwann in eine Situation, die er mit etwas Schlimmem verbindet und beißt unerwartet. Entsprechende Warnhinweise kommen in diesem Buch etwas zu kurz. Statt dessen sind die Autoren der Meinung: “Dennoch wird man einen erwachsenen Hund meist schneller einmal für eine Zeit lang allein lassen können.” Meine Erfahrung ist, dass gerade wegen Trennungsängsten, also nicht allein bleiben können, viele Hunde neu zu vermitteln sind. Dieser Grund wird nur oft nicht verraten.

In einfachem, guten Deutsch geschrieben und bunt illustriert ist es trotz meiner kleinen Kritikpunkte ein sehr schönes Buch, das ich auf jeden Fall empfehlen möchte.

 

Kind und Hund – mit Martin Rütter
Martin Rütter und Andrea Buisman
Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG,
Stuttgart, 2017
160 Seiten, Hardcover
ISBN: 978-3-440-14596-8
19,99 €

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