TYPISCH HUND ~ Der Schlüssel zur Seele Ihres Hundes

Dieser Beitrag wurde am Montag, 22. Februar 2010 um 10:36 Uhr veröffentlicht.

Eine Rezension von Gudrun Beck

Typisch_Hund_Rezension_Ein sehr schönes Buch. Schon das Titelbild ist ein Kunstwerk. Die zahlreichen bunten, z. T. ganzseitigen Fotos beeindrucken beim ersten Durchblättern. Auch der meist 2- oder 3-spaltige Text, der sich auf gut überschaubare Absätze verteilt, ist ansprechend layoutet. Gutes, erfrischend modernes Deutsch ohne komplizierte Fremdworte und Fachvokabeln ermöglicht einen flotten Lesefluss. Die Mischung von Informationen und Geschichtchen, z. T. aus Hundesicht geschrieben, macht das Lesen unterhaltsam und spannend.

Inhaltlich versteht sich dieses Buch als Ratgeber zum Thema Hund. Auf insgesamt nur 144 Seiten ist es bei einem so komplexen Thema zur Oberflächlichkeit verdammt. Es wundert also nicht, wenn vieles nur angesprochen, aber eben doch nicht ausgeführt und schon gar nicht mit Pro und Contra diskutiert wird. So wird zum Thema Ernährung zwar erwähnt, dass man Hundefutter auch selbst zusammenstellen kann. “Unter dem Begriff B.A.R.F. kann man sich dazu im Internet und mit zahlreicher Literatur das nötige Wissen aneignen, um seinen Hund gesund und ausgewogen zu ernähren”, lesen wir dazu auf S. 91 unter dem Strich “NACHGEFRAGT” als Expertenrat. Aber eigentlich wird uns doch empfohlen, auf die handelsüblichen Futtermittel zu vertrauen. Immerhin, das Barfen ist angesprochen und neugierig gewordene Leser können sich weitergehende Informationen organisieren.

Zum Clicker-Training gibt es auf S. 84 einen eigenen Absatz. Dieser endet mit: “Einziger kleiner Nachteil: Die Intensität des Lobs kann nicht variiert werden.” Ich denke, dass der Autor hier etwas falsch verstanden hat. Der Clicker-Klick ist nur die Vorab-Bestätigung unmittelbar nach einer guten Tat. Lob und Belohnung gibt es danach beim Hundeführer und der kann sehr wohl variieren.

Probleme werden kaum erwähnt, geschweige denn Lösungs-Möglichkeiten. Manche Geschichtchen wirken geschönt, wie z. B. die von dem Dobermann und dem Airedale-Terrier, die sich angeleint immer anpöbeln und da, wo sie sich doch mal aus Versehen völlig frei treffen, auf Imponieren beschränken (S. 58). Dies ist leider nicht die Regel!

Manches ist gefährlich vereinfacht dargestellt. So heißt es auf S. 61 zum Thema “Rute”: “…Ein Hund, der sich freut, wedelt mit dem Schwanz, die steif gehaltene Rute ist ein Warnsignal.” – Auch die hoch gehaltene Rute kann langsam wedeln und auf einen drohenden Angriff hinweisen! Leider ein häufiges Missverständnis.

“Feste Zeiten” fürs Füttern, Gassigehen und Spielen werden empfohlen. Davon kann ich nur abraten. Man macht sich selbst zum Automaten. Viele so pünktlich versorgte Hunde kennen ihre Uhrzeiten so genau, dass sie grundsätzlich eine Viertelstunde vorher anfangen, lautstark ihre Beachtung einzufordern. Erst recht gibt es anhaltenden Terror, wenn die Futterschüssel mal Verspätung hat. Für die Beziehung viel besser und für die Nerven der Familie und der Nachbarschaft entspannter ist es, die Zeiten möglichst variabel zu halten. Es ist die Sache des dominanten Rudelmitglieds, zu entscheiden, wann was dran ist. Und dominant sollte im gemischten Mensch-Hund-Rudel immer ein Mensch sein.

Auf S. 92 geht es um “DIE WICHTIGSTEN FÜTTERUNGSREGELN”. Diese beginnen wieder mit der Empfehlung fester Fütterungszeiten. An siebter Stelle heißt es: “Alle Mahlzeiten gibt es ausschließlich im Futternapf; Handfütterung nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel bei Krankheit” Auch dieser Rat gefällt mir nicht. Man weiß heute, dass der Bindungsaufbau auch bei Wölfen in erster Linie über die Fütterung läuft. In Phasen des Beziehungsaufbaus, der Bindungsverstärkung, der Erziehung und des Trainings wird heute oft geraten, einen Großteil der täglichen Futter-Ration als Belohnung aus der Hand zu geben. Auch ich habe damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Die anderen 12 Regeln sind durchaus empfehlenswert. Sie beziehen sich auf die Häufigkeit der Fütterung bei Welpen und Althunden, täglich frisches Trinkwasser, jeweils eigene Futternäpfe bei mehreren Hunden, die Möglichkeit, dass der Halter seinem Hund jederzeit den Napf wegnimmt, die Beendigung der Fütterung nach ca. 10 Minuten, das Aufräumen nach der Fütterung, die Verwahrung von Resten im Kühlschrank, die Einhaltung von Mengenangaben auf den Futter-Packungen und den Einsatz höhenverstellbarer Halterungen für die Näpfe.

Was mir nun wieder nicht gefällt, ist die Aufzählung bestimmter Hunderassen als die “besten Hunde für Kinder” (S. 80f). So heißt es auf S. 81: “Diese zehn Rassen sind echte Kinderfreunde:
* Beagle: Frohnatur und Muntermacher und ein Aktivbolzen, der für jedes wilde Spiel zu haben ist.
*Bearded Collie: der Kumpel für alle Lebenslagen.
*Berner Sennenhund: Geduldiger und gutmütiger Begleiter und ein absolut zuverlässiger Beschützer….”
Desweiteren werden Bobtail, Boxer, Eurasier, Golden Retriever, Neufundländer, Pudel und West Highland Terrier genannt. Eine gefährliche Werbung! Schön, dass nicht gerade die typischen Schutzhund-Rassen aufgezählt wurden, aber auch von den hier gelisteten Großen geht eine erhebliche Gefahr für kleine Kinder aus. Ich behaupte – und alle namhaften Kynologen, die ich kenne, geben mir darin Recht – dass es keine kinderfreundliche Hunderasse gibt! Kinderfreundlich kann jeder normal veranlagte Welpe werden, wenn er gut auf Kinder, andere Menschen, möglichst viele Tiere und Umweltreize geprägt und sozialisiert wurde. Die Auswahl eines guten Züchters einer Hunderasse mit geeigneter Größe ist für Eltern mit kleinen Kindern viel wichtiger. Die Empfehlung von Modehunden, wie ich hier einige in der Auflistung finde, verstärkt zudem die Massenproduktion mit eben solchen Rassevertretern und macht diese Rassen noch kranker.

Auch die Zuordnung ausgewählter Hunderassen zu bestimmten Spiel- und Sporteignungen halte ich für wenig sinnvoll. So wird unter “DIE BESTEN SPIELERTYPEN UND SPORTCRACKS” (S. 122) zum “Apportieren” der Collie, der Schäferhund und der Berner Sennenhund genannt. Hier hätte ich doch an erster Stelle die Retriever erwartet. “Spielpartner für Kinder” sind angeblich Boxer, Bobtail, Cocker Spaniel, Foxterrier, Spitz, Dalmatiner, West Highland Terrier und Bearded Collie – ohne Begründung. Diese Liste ist zudem anders als die Auflistung auf S. 81. Was soll das? Schade. Eine Dreiviertelspalte Platzverschwendung in diesem ohnehin eher textarmen Buch. Sinnvoller wäre gewesen, die jeweils wesentlichen körperlichen Voraussetzungen zu beschreiben. So muss ein Hund, der mit Agility anfangen soll, eine gewisse Beinlänge haben und möglichst leicht gebaut sein, um sprungkräftig, flink und wendig zu sein.

Falsch ist folgende Zuordnung auf S. 84: “Dominante Rassen sind u. a. Rottweiler, Chow Chow, Akita Inu und Dobermann”. Hier zeigt der Autor, dass er den Dominanzbegriff nicht verstanden hat. Schon auf S. 52 fiel mir zum Thema “Rangordnung” ein ähnlich falsches Statement auf: “…Vor allem die dominanten Rüden testen immer wieder einmal die Führungsqualitäten des Menschen und verweigern Befehle oder reagieren aufsässig.”. Dominanz ist relativ. Dominant ist der, der führt. Sollte es ein Hund sein, ist dies ein Problem für seinen Hundeführer und – im Falle so großer Hunde erst recht – für unsere Gesellschaft! Dann ist in der Erziehung das Wichtigste schief gelaufen, nämlich die rangmäßige Einordnung unter den Menschen. Dominanz kann bei jedem Hund auftreten, der falsch erzogen wurde. Richtig ist, dass bestimmte Hunderassen, besonders die für den Schutzdienst zum Packer weitergezüchteten, brutalere Spielverhaltensweisen an den Tag legen als solche, die z. B. für das Hüten mit besonderer Sensibilität und einer angezüchteten Beißhemmung ausgestattet sind. (Vorsicht: Die angezüchtete Beißhemmung ersetzt nicht das Erlernen der eigentlichen Beißhemmung in der Prägephase.) Insofern kann man von “harten” und “weichen” Hunden sprechen, die eine etwas unterschiedliche Ansprache brauchen, wenn Herrchen oder Frauchen sich mal durchsetzen muss.

Gut ist, dass auf die Wichtigkeit der artgerechten Haltungsbedingungen in der ersten Sozialisations- und Prägephase eingegangen wird, die meist mit der 14. Woche abgeschlossen ist (S. 113).

Was mir auch gut gefällt, ist der Hinweis auf den Nutzen einer Welpenschule, S. 115. Auf S. 83 wurden bereits Welpenspieltage für junge Hunde “zwischen der 9. und der 20. Lebenswoche” thematisiert. Hier schließt der Absatz mit: “Kritiker monieren, dass die Erziehung zu kurz kommt, weil die Rabauken im wilden Spiel über die Stränge schlagen können, ohne von einem erwachsenen Tier in die Schranken gewiesen zu werden.” Diesen Einwand sollte man so nicht gelten lassen. In guten Hundeschulen bringen einerseits Trainer selbst oft gut sozialisierte Althunde mit ein, die eben dieses leisten. Andererseits erwarte ich von einem guten Trainer rechtzeitiges Eingreifen, wenn das Spiel zu wild wird und in Aggression überzugehen droht.

Ein uralter Tipp, den ich so nicht mehr geben würde, ist der, einem Welpen “für Notfälle eine Zeitungspapierecke” einzurichten (S. 116). Das erzieht zur anhaltenden Unsauberkeit im Haus! Statt dessen fehlt mir der Hinweis, dass ein Welpe nach jedem Aufwachen SOFORT hinaus gebracht gehört an einen Ort, wo er etwas unter sich machen darf. Nach jeder Mahlzeit, wie im folgenden beschrieben (S. 117) ist auch nochmal Gassigehen angesagt, aber das reicht nicht. Insofern war ich auch etwas verwundert über die Empfehlung unter “Raus ins Freie”, mit dem Welpen nur dreimal pro Tag spazieren zu gehen. Auch hat mich der Rat gewundert, “Straßenbekanntschaften mit anderen Hunden möglichst erst, wenn der Impfschutz aufgebaut ist.” Woher soll der Leser wissen, wann das ist? Wie lange – und mit welchen Nachteilen – wird er soziale Hunde-Kontakte in seiner Nachbarschaft unterbinden? Ein normal aufgezogener Welpe wird nach der Grundimmunisierung mit 8 Wochen abgegeben und sollte den Impfschutz bereits haben, wenn er im neuen Zuhause ankommt. Außerdem steht dieser Rat im Widerspruch zur empfohlenen Welpenschule, wo die Welpen ab der 8.-9. Lebenswoche sich tummeln sollen. Es ist ganz interessant, wie in diesem Buch altes mit neuem vermischt wurde.

Gut ist, dass sowohl am Anfang des Buches als auch in seinem letzten Kapitel auf die Bewegungsfreude und -bedürfnisse der Hunde eingegangen wird. Spiel- und Sport-Möglichkeiten werden genannt. Hundler zu mehr Spiel und Bewegung mit ihrem Vierbeiner anzustacheln, ist immer eine gute Idee. Schließlich leidet ein Großteil der Hunde, aber auch der Herrchen und Frauchen an Übergewicht und Langeweile. Dieses Bucht gibt schöne Anregungen, wie man sich aktiv mit seinem Hund beschäftigen kann.

Im Glossar ist zum Stichwort “Hundeartige” ein Fehler unterlaufen (S. 133). Im letzten Satz des Absatzes heißt es: “Mit Ausnahme Australiens haben die Hunde alle Erdteile besiedelt.” Australische Dingos sind auch Hunde. Wahrscheinlich ist gemeint: “Mit Ausnahme Australiens haben die Hunde schon vor der Einflussnahme durch den Menschen alle Erdteile besiedelt.”

Im Glossar ist zum Stichwort “Wurf” ein weiterer Fehler zu finden (S. 135). Es heißt dort: “Die Hündin trägt in der Regel 63 Tage und bringt durchschnittlich sechs Welpen zur Welt, bei kleinen Hunden zum Teil auch deutlich mehr, bei Großrassen oft weniger…” Das Gegenteil ist richtig. Beim Größer- und Kleinerzüchten von Hunderassen wurden die Geburtsgewichte und -größen weit weniger verändert, als die Endgrößen. So ist es kein Wunder, dass kleine Hündinnen in ihrer kleinen Gebärmutter weit weniger Welpen aufbauen können, als große Hündinnen in ihrer großen Gebärmutter.

Zum Schluss gibt die Autorin und Fotografin Monika Wegler im doppelseitigen “Making of” Tipps zur Tier-Fotografie, die sicher vielen Fotoapparat-besitzenden Hundehaltern nützlich sind.

Trotz aller Kritik möchte ich abschließend bemerken, dass das Buch auch viel wahres und brauchbares enthält. Insgesamt eine gute Einstiegs-Lektüre für Neulinge in der Hundeszene, aber kein Ersatz für detailiertere Hundebücher und umfassendere Erziehungs-Ratgeber. Ein Buch, das zum nachdenken, vergleichen und diskutieren anregt. Auf jeden Fall ein schönes Geschenk für Freunde oder Verwandte mit Hund.

Monika Wegler (Fotografin), Gerd Ludwig (Autor): “TYPISCH HUND – Der Schlüssel zur Seele Ihres Hundes”

2010 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München


Eine ganz ähnlich strukturierte Neuerscheinung gibt es zum Thema Katze:

TYPISCH Katze – Der Schlüssel zur Seele Ihrer Katze

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Ein sehr schönes und informatives Buch. Die zahlreichen bunten, z. T. ganzseitigen Fotos von Katzen und Kätzchen in den unterschiedlichsten Lebenslagen beeindrucken gleich beim ersten Durchblättern. Der 2- bis 3-spaltige Text, der sich auf gut überschaubare Absätze verteilt, ist ansprechend layoutet. Gutes, modernes Deutsch ohne komplizierte Fremdworte und Fachvokabeln ermöglicht einen flotten Lesefluss. Die Mischung von Informationen und Geschichtchen, z. T. aus Katzensicht geschrieben, macht das Lesen unterhaltsam und spannend.

Auf insgesamt nur 144 Seiten sind alle Bereiche des kätzischen Lebens erstaunlich ausführlich dargestellt und themenaffin bebildert. Die kleinen Geschichtchen und Erzählungen sind aus dem Leben gegriffen und gehen mit viel Liebe ins Detail, vermitteln einen Eindruck von unterschiedlichen Wahrnehmungen, Stimmungsbildern und Gefühlen aus der Katzenwelt. Ohne lehrbuchhaft zu wirken, gibt das Buch umfangreiche Kenntnisse über Biologie und Verhalten der Katzen an den Leser weiter. Es enthält eine Vielzahl neuer, z. T. verblüffender Erkenntnisse über Freigänger und Stubentiger. Viele gute Tipps zur katzengerechten Wohnungsgestaltung, Beute-Ersatzspielchen, Erziehung und Ernährung werden gegeben. Mögliche Probleme werden beschrieben, Lösungswege aufgezeigt. Man merkt beim Lesen, dass Fotografin und Autorin selbst begeisterte Katzenhalterinnen sind.

Dieses Buch hält, was es verspricht. Es ist allen Katzenfreunden mit oder ohne eigene Katze zu empfehlen.

Monika Wegler (Fotografin), Gabriele Linke-Grün (Autor): “TYPISCH Katze – Der Schlüssel zur Seele Ihrer Katze”

2010 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München

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