Tiere als Freunde im Mittelalter ~ Eine Anthologie

Dieser Beitrag wurde am Sonntag, 28. Februar 2010 um 22:57 Uhr veröffentlicht.

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Eine Rezension von Gudrun Beck

Ein unauffälliges Buch, ein teures Buch, eines mit viel Lesestoff, eines, das sehr viel Arbeit gemacht haben muss. Den durchschnittlich gebildeten Tierfreund mag der Titel-Zusatz bereits abschrecken: “Was ist eine Anthologie?”, ebenso das Erscheinen in einem wissenschaftlichen Verlag. Doch so schwer zu verstehen ist es nicht, wie der erste Anschein vermuten lässt. Anthologie bedeutet hier, eine Sammlung mittelalterlicher Textstellen zum Thema “Tiere als Freunde”. Alle Texte sind in gutes Hochdeutsch übersetzt und leicht verständlich.

Es geht längst nicht nur um Hunde, aber gerade der Hundefreund kommt hier auf seine Kosten. Das kennen wir Hundler doch alle: Menschen ohne Bezug zu Tieren tun unsere Gefühle für unsere Lieblinge als dekadent ab, tun so, als wären sie Ausdruck der aktuellen, pervertierten, saturierten Wohlstandsgesellschft. Moderne Gefühlsdusselei eben. Doch das partnerschaftliche Miteinander zwischen Mensch und Tier ist alt. Dieses Buch enthält eine Vielzahl von Beweisen. Es belegt, dass es auch im Mittelalter Menschen gab, die sehr an ihrem Tier hingen und dass es auch damals schon Tiere gab, die nicht Nutztiere waren, sondern aus Freude am Tier gehalten wurden.

So beginnt die Sammlung mit dem “Lob auf einen Schoßhund” aus dem 6. Jh.: “Von seiner kleinen Hündin, die auf einen Wink ihres Herrn herbeilief”. Darin heißt es: “Die Gestalt meiner kleinen Hündin ist winzig, aber gerade deshalb bezaubernd, weil sie als ganze in eine hohle Hand passt…allen, die sie sehen, gefällt sie wegen ihres zarten Wuchses. Sie bekommt weiches Futter und darf auf weichem Lager schlafen; den Mäusen ist sie feindlich gesinnt, grimmiger als eine Katze…wenn es die Natur gewährte, könnte sie nach allen Regeln der Kunst sprechen.” Vermutet wird, dass es sich um einen Malteserspitz handelte, für den ein wenig übertrieben wurde.

Es gibt einen spannenden Bericht über einen Hund, der den Mord an seinem Herrn mitbekam und fortan den Mörder immer wieder zu beißen versuchte. Ganz alleine deckte der Hund das Verbrechen auf und entlarvte den Mörder.

In einem anderen Bericht geht es darum, dass der geliebte Hund eines Priesters von seinem Herrn auf geweihtem Boden begraben wurde, was seinem Vorgesetzten missfiel und grausam bestraft werden sollte, bis der Priester ihm ein Säckchen voll Geld übergab, was diesen Vorgesetzten umstimmte, so dass auch er den verstorbenen Hund als etwas besonderes zu loben bereit war – ganz nebenbei ein Beispiel für Korruption im Mittelalter.

Manche Berichte geben Einblick in die symbolische Bedeutung, die man der jeweiligen Tierart zusprach. So war der Hund immer schon Sinnbild für Treue und Tapferkeit, gerade auch in der Verteidigung seines Herrn bis zum eigenen Tod.

Die ausführliche Einleitung kommt zu dem Ergebnis: “Eine Fülle an Tieren besaß eine hohe symbolische Bedeutung für die höfische Welt, indem sie innere Werte, Tugenden, Eigenschaften, aber auch Schwächen, Fehler, mangelnde Entwicklung des Individuums, Ängste, dann widerum Freude, Weisheit und generelle Einstellungen spiegelten. Kein Wunder, dass vielleicht auch aus diesem Grund wider allen Erwartens im Mittelalter Menschen freundschaftliche, ja liebevolle Verhältnisse zu Tieren unterhalten konnten, wie unsere nachfolgende Anthologie vor Augen führen wird.”

Ich hoffe, es ist mir gelungen, Sie, unsere Leser, ein bischen neugierig zu machen auf dieses Werk:

“Tiere als Freunde im Mittelalter ~ Eine Anthologie”

Eingeleitet, ausgewählt, übersetzt und kommentiert von Gabriela Kompatscher zusammen mit Albrecht Classen und Peter Dinzelbacher

Wissenschaftlicher Verlag Bachmann Badenweiler, erschienen Feb. 2010, 301 Seiten, broschiert, € 29,50

Übrigens: Die Autoren erhalten kein Honorar, aber einen kleinen Teil des Nettoerlöses spendet der Verlag an Tierschutzinitiativen.

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