Frust lass nach – Impulskontrolle & Frustrationstoleranz

Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, 15. Mai 2025 um 14:53 Uhr veröffentlicht.

DSC_6114aaaSelbstregulation bei Hunden erfolgreich aufbauen

Eine Rezension von Gudrun Beck, Züchterin der Fox Lions Collies

Fernab all der Erziehungsratgeber, die in erster Linie das Andressieren bestimmter Verhaltensweisen nach dieser oder jener Methode vermitteln, legt die Autorin in diesem Buch den Fokus auf zwei Persönlichkeits- und Charaktermerkmale, die sich ganz anders entwickeln lassen: Frustrationstoleranz und Impulskontrolle. Das eine macht duldungsfähig, ausgeglichen und gelassen, das andere vernünftig.
“Mangelnde Frustrationstoleranz macht kleine Probleme groß”, lesen wir auf S. 70.

Damit klarzukommen, etwas nicht zu bekommen, was man gerade gerne hätte, ohne lange traurig, verärgert oder gar wütend zu werden, setzt voraus, dass man das schon kennt und es einen nicht mehr groß stört. Die Gehirnentwicklung, die eine gute Frustrationstoleranz möglich macht, läuft besonders intensiv während der Pubertät, die hormongesteuert über 3 Jahre dauert, was das frühe Kastrieren von Hunden einmal mehr als problematisch darstellt. Dabei ist gerade häufiges Aufreiten oft nicht der Beweis für übermäßig vorhandene Sexualhormone, die eine Kastration begründen würden, sondern eine Form der ungünstigen Kompensation von Frust (S. 93), ähnlich wie Dauerbellen, Dauerrennen oder Kotfressen. Auch besonders rabiates “Spielverhalten” ist eher ein Dampfablassen als echtes Spiel (S. 92).

Sressabbau braucht Ruhe, keine weitere Aufregung. So wird auch nach einem Frusterlebnis, das den Hund stresst, eine Ruhephase empfohlen, mit der Gelegenheit, Körperkontakt zu finden und langsam gestreichelt zu werden. Genau dann kann das Gehirn das Erlebte sinnvoll verarbeiten.

An den meisten Problemen mit Hunden sind nicht die Hunde, sondern die Menschen schuld, die sie beeinflussen. “Deine Selbstregulation, dein Umgang und dein Auftreten im Alltag bestimmen darüber, ob ein Problem mit dem Hund leicht oder schwer behebbar ist.” (S. 105).

Von großer Bedeutung ist, wie man selbst mit Frust umgeht. Ein Test erlaubt dem Leser die Zuordnung zu einem von drei Typen. Auch für Hunde gilt diese Typisierung.

Frustrationstoleranz übt man durch häufigen, mittelmäßigen Frust im Alltag. Gut geeignete Übungen bzw. Beispiele von geeigneten Situationen finden Sie in diesem Buch. So tun, als würde man hinaus wollen, Schlüsselreize gezielt einsetzen, um den Hund in Aufregung zu versetzen, es dann aber kommentarlos lassen. Eine Leckerei vor dem eigentlich satten, angebundenen Hund so plazieren, dass er sie nicht erreicht, und vieles mehr.

Impulskontrolle ergibt sich aus Verboten und schlechten Erfahrungen. Ein gutes Beispiel ist das Anspringen, das der Hund dann nicht mehr will und unterlässt, auch wenn der Reiz (Impuls) in einer Begrüäßungssituation groß ist (S. 212). In diesem Zusammenhang kommt man um angemessen unangenehme Einwirkungen nicht herum, die hier auch als “Strafe” bezeichnet werden. Ein Aspekt, den viele Hundebücher ausblenden. Auf S. 193 heißt es dazu: ” Um das Verwenden einer angebrachten Strafe zu umgehen, wird oft versucht, Impulse umzulenken”. Die Begrüßung könnte z. B. am grundsätzlich im “Platz!” liegenden Hund vorgenommen werden. Dem Ziel, dass der Hund eines Tages von sich aus gesellschaftlich akzeptiertes Verhalten zeigt, u. a. niemanden anspringt, kommt man so nicht näher. Eine vertane Gelegenheit, die Impulskontrolle zu schulen. Dabei gilt: “Wer viel Antrieb hat, braucht auch gute Bremsen” (s. 197).

Aber wie sieht eine “sinnvolle Strafe” denn nun aus? Auf Schläge und Tritte sowie andere tierschutzrelevante Maßnahmen ist selbstverständlich zu verzichten! Mitunter reicht es, den Hund “ganz sachlich” im Fell zu greifen und zu seinem eigenen Bein zurückzuziehen (S. 196). Ein schönes Beispiel, das in dieser Hinsicht allerdings nicht konkret wird: “Der Mensch hat sich vorher im Hundetraining bei einem Profi eine passende Unterbrechungsmethode für seinen Hund beibringen lassen, eine gezielte Konsequenz, die als unangenehm genug vom Hund wahrgenommen wird, dass sie den Spaß des Bellens aufwiegt, und gleichzeitig nicht so negativ, dass sie den Hund überfordert: Der fremde Hund kommt ins Sichtfeld, unser Hund hebt den Kopf und atmet tief ein, um laut losbellen zu können. Der Mensch wartet gar nicht bis zur Eskalation, sondern unterbindet klar und konsequent den ersten kleinen Gedanken an das Verhalten. Er benutzt seine Methode deutlich, direkt und selbstbewusst, bleibt dabei gelassen und langsam und schaut, ob der Hund sie verstanden hat. Nimmt der Hund sich zusammen und hört mit dem tiefen Einatmen und Anstarren des anderen Hundes auf, geht der Mensch ganz entspannt weiter, als sei nichts los.Kommt der Gedanke an das Bellen wieder auf, wiederholt sich das Spielchen. Ansonsten passiert nichts.
Der andere Hund ist vorbei, alles ist still, unser Hund überlegt. Der Mensch ist schlau und macht nun nichts, außer ganz normal weiterzugehen und den Hund in Ruhe denken zu lassen…”(S. 203).

Auf S. 200 stellt die Autorin fest: “Wer mit dem Junghund konsequent ist und sehr, sehr viel erwartet und verlangt, in dem Wissen, dass er sich ständig durchsetzen muss, der braucht später genau das nicht mehr zu tun.”.

Ein sehr gutes Buch, dass ich hier empfehlen möchte.

 

Maren Grote
2025 Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Hardcover, 232 S., 273 Farbfotos
ISBN978-3-440-18123-2
25,00 €

 

 

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