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Sehr geehrte Damen und Herren,
 
 gerade aus der multikulturellen Gesellschaft Kanadas von Verhaltensbeobachtungen an
 
 freilebenden Wölfen zurück (Qualifikation: Leiter des Beobachtungsteams des "Central
 
 Rocky Mountains-Wolf-Project" unter der Leitung des Biologen Dr. Paul Paquet/Universität
 
 Calgary), scheint es in Deutschland nur noch ein Thema zu geben: Kampfhunde,
 
 Kampfhunde, Kampfhunde. Ein Thema, das nicht erst seit gestern auf der Tagesordnung
 
 steht. Nein, vernünftige Vorschläge zur Eindämmung des Gefahrenpotentials
 
 aggressiv/auffälliger Hunde, gab es nachweislich bereits seit Jahren. Seit Ende der 80er
 
 Jahre wussten die Politiker der einzelnen Länder, dass zu dieser Thematik etwas passieren
 
 musste. Passiert ist allerdings bis zum heutigen Tage nichts!
 
 
 Geredet wurde viel, gehandelt wenig. Skrupellose Züchter, die teilweise öffentlich aggressive
 
 Hunde als "Body-Guards" feilboten (und auch heute noch verkaufen), sind natürlich in erster
 
 Linie verantwortlich für das heutige Chaos. Förderung von aggressivem Hundeverhalten hat
 
 nämlich herzlich wenig mit der Verantwortlichkeit einzelner "Normalhundehalter" zu tun. Wir
 
 sprechen vielmehr primär von einem Zuchtproblem, welchem man bundesweit durch einen
 
 Qualifikationsnachweis für alle Züchter (Heimtierzuchtgesetz) entgegentreten könnte. Wenn
 
 man denn wollte. Der VDH, verantwortlich für die Betreuung sehr vieler Hunderassen, hat es
 
 bis heute nicht geschafft, Wesens- und Verhaltenstests für alle Hunderassen einzuführen.
 
 
 Unkontrollierte Züchter der rechtsradikalen Szene mit Pitbulls + Co. blieben zudem
 
 weitestgehend unangetastet, an diverse Jugendgangs in bundesdeutschen Ballungsräumen
 
 mit "Kampfhunden" traut man sich nicht heran, in sozial schwachen Stadtgebieten lässt man
 
 ganze Massen von "Kampfmaschinen" ohne Überprüfung gewähren und im Rotlichtmilieu
 
 duldet man, obwohl nachweislich bekannt, Hundekämpfe.
 
 
 Ausrede der verantwortlichen Administration: Zu wenig Personal, zu knappe Finanzbudgets.
 
 Selbstkritik der politisch Verantwortlichen: Fehlanzeige. Die tapferen Bayern
 
 verabschiedeten 1992 im Alleingang ein Kampfhundeverbot und rühmen sich seither, die
 
 "Sache im Griff zu haben". Gestern, am 19.7.2000, berichteten jedoch diverse Nachrichten
 
über auffällig gewordene Rottweiler. Aber, man hat ja alles unter Kontrolle!?
 
 
 Eine bundesweite Lösung steht noch in den Sternen, der psychologischen Tragweite der
 
 Schnellschussverordnungen einzelner Länder ist man sich in politischen Kreisen wohl nicht
 
 bewusst: Nein, man nimmt während der letzten Wochen sogar eine Spaltung der Gesellschaft
 
 in Kauf: Man nimmt in Kauf, dass Kleinkinder in phobieartige Verhaltensmuster gegenüber
 
 unbedarften Hunden gezwungen werden. Man nimmt in Kauf, dass Hundefreunde und
 
 Hundefeinde in clicheehafte Schubladen gesteckt werden und öffnet somit der Selbstjustiz
 
 Tür und Tor. Letztlich fördert man den zivilen Ungehorsam der Bürger, die völlig verunsichert
 
 berechtigt Wut aufstauen, weil die Hysterie der Politiker mit dem zu tiefst bedauerlichen Tod
 
 des kleinen Hamburger Jungen begann. Ausgerechnet ein bereits aktenkundig/aggressiver
 
 mit Leinen- und Maulkorbzwang bedachter Hund, dessen notwendige Konfiszierung die
 
 ordnungsamtliche Behörde verschlampt hatte, gab Anlass zu völlig überzogenen
 
 Eilverordnungen, inkl. fachlich nicht haltbarer "Rasselisten" und Diskriminierung
 
 abertausender Hundehalter.
 
 
 Vom Hundehalter wird Sachverstand und fachliche Kompetenz angemahnt. Wer als
 
 Verordnungsgeber Sachkenntnisse anmahnt, sollte diese vorab bewiesen haben. Wen aber
 
 haben die verantwortlichen Politiker im Hinblick auf Ihre Eilverordnungen eingebunden?
 
 Fachkompetente Menschen können es jedenfalls nicht gewesen sein. Wie will man sonst
 
 dem einfachen Hundehalter klarmachen, dass einige der in den "Rasselisten" aufgeführten
 
 Hunderassen seit Jahren nachweislich umfangreiche Wesens- und Verhaltenstests zur
 
 Zuchttauglichkeit verlangen (z.B. Club für ungarische Hirtenhunde), während nicht "gelistete
 
 Schutzhundrassen" trotz ihrer doch diskussionswürdigen Zuchtpapiere (Wehrtrieb
 
 ausgeprägt, Schutz und Härte ausgeprägt) wohl offensichtlich keiner Erwähnung bedurften.
 
 Die Lobby des quotenbereinigt meist beißenden Hundetypus (Deutscher Schäferhund) lässt
 
 grüßen.
 
 
 Hier soll keinesfalls der Eindruck einer Diskriminierung des Schäferhundes entstehen, denn
 
 Tausende sozial und umweltsicherer Vertreter dieser Rasse sind weder aggressiv, noch
 
 haben sie "Kampfhundqualität". Obwohl man den Schutzdienst im privaten Bereich kritisch
 
 hinterfragen sollte, soll hier nur der Sinn der "Rassenauflistungen" ad absurdum geführt
 
 werden.
 
 
 Auf der Anhangliste des Landes NRW werden selbst Hunderassen aufgeführt, die entweder
 
 eine extrem hohe Reizschwelle haben (Bordeaux Dogge, Mastin Español) oder in
 
 Deutschland gar nicht existent sind (Liptak, Karpatin etc.). Begründung: Diese Hunderassen
 
 könnten als nächste missbraucht werden. Nein, meine Damen und Herren Politiker: Als
 
 erstes wird man nicht gelistete Schutzhundrassen missbrauchen!
 
 
 Ein weiterer Aspekt, der offensichtlich von den Politikern nicht berücksichtigt wurde: Die
 
 große Abzocke hat in Deutschland bereits begonnen. Wesens- und Verhaltenstests, deren
 
 Durchführung zunächst in die Hände der Tierärzte gelegt wurde, sind quantitativ a) nicht
 
 durchführbar und b) für viele Hundehalter nicht bezahlbar (man hört bereits von 2stündigen
 
 Verhaltenstest für DM 500,-). Qualifikationsnachweise zur Durchführung von Wesens- und
 
 Verhaltenstests können ohnehin nur durch von der Tierärztekammer ausgebildete
 
 Verhaltenstherapeuten durchgeführt werden, da der einfache Tierarzt im Normalfall mit
 
 Hundeverhalten wenig vertraut ist.
 
 
 Nun stehen Tausende von sog. "Experten" Gewehr bei Fuß, um evtl. ein kleines Stück des zu
 
 verteilenden Kuchens abzubekommen. Da es den Beruf des Hundeerziehers als staatlich
 
 anerkannten Lehrberuf nicht gibt, wird eine pauschale Wesens- und Verhaltensüberprüfung
 
 schwierig werden. Auch die Ortsgruppen verschiedener Verbände (SV, DVG, dem VDH
 
 angeschlossene Gruppen) bieten kein praxisbezogenes Training an und fielen in der
 
 Vergangenheit teilweise durch sehr harte Hundeerziehungsmethoden (Gebrauch von
 
 Stachelhalsbändern und anderen Starkzwangmittel) auf und können somit pauschal
 
 keinesfalls als fachkompetent angesehen werden. Selbsternannte Bundesverbände für
 
 Hundeschulen oder Hundetrainer kommen und gehen und sind somit auch äußerst schwierig
 
 auf Fachkompetenz zu überprüfen. Wer also soll Qualifikationsnachweise für Hundehalter und
 
 ihre Vierbeiner flächendeckend durchführen?
 
 
 Fazit: Derzeit sind Hundehalter völlig verunsichert, wie es zukünftig weitergehen soll.
 
Übergriffe von hundefeindlichen Menschen sind an der Tagesordnung. Einige Vorschläge zur
 
 Verbesserung der allgemein verkorksten Situation liegen auf dem Tisch, brauchen jedoch die
 
 nötige Zeit, um nach einer ausführlichen Diskussion die verschiedenen Elemente
 
 zusammenzuführen. Eine Koordination zwischen Tierärzten, verantwortungsbewusst
 
 handelnden Hundeerziehern, Verhaltenstherapeuten, und Hundevereinen bleibt
 
 wünschenswert. Ob es nun wirklich um den Hund geht, wird anhand von Toleranz und
 
 koordiniertem Handeln zu überprüfen sein. Eilverordnungen, die nur auf bestimmte Rassen
 
 abzielen, sind schlichtweg abzulehnen, weil fachlich nicht haltbar. Für das Land NRW wäre
 
 die bereits 1994 verabschiedete Verordnung wieder aufzugreifen und ggf. zu modifizieren,
 
 da sie die individuelle Mensch-Hund-Beziehung in den Vordergrund stellte. Menschen und
 
 Hunde sind als Individuen zu betrachten und eine Verordnung sollte diesem Faktum
 
 Rechnung tragen.
 
 
 Beispiele für eine modifizierte Verordnung: Haftpflichtversicherungspflicht mit
 
 Bonus-/Malusregelungen bei Steuer und Versicherung, Mikrochipkennzeichnung für alle
 
 Hunde, Leinenzwang für alle Hunde nur in Stadtzentren, Wohngebieten sowie an Schulen und
 
 Kinderspielplätzen bei gleichzeitiger Ausweisung von Freilaufzonen für Hunde, strenge und
 
 kontrollierte Zuchtbedingungen (Qualifikationsnachweis), Errichtung von Auffangstationen für
 
 herrenlose Kampfhunde, Angebot des Qualifikationserwerbs für Menschen auch vor dem
 
 Hundekauf, sowie zusätzlich noch die Einführungen eines HÜV (Hundeüberwachungsverein),
 
 individuelle Verhaltensüberprüfung von Mensch und Hund.
 
 
 Last but not least: Drastische Strafverschärfungen bei Zuwiderhandlungen und Verstößen
 
 gegen die neuzugestaltenden Hundeverordnungen. Sinnvoller wäre es allerdings, eine
 
 bundeseinheitliche Hundeverordnung zu schaffen, die den oben erwähnten Gedanken
 
 Rechnung trägt.
 
 
 Sicherlich finden Sie auch in Ihrer Nähe eine Initiative für ein Volksbegehren gegen die
 
 bestehenden Hundeverordnungen.
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