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20.12.97 -- Reinhold_Wurster

"Richtig" Apportieren














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Barbara schrieb noch im alten Hundeforum über das Apportieren:

"Wie schon erwähnt haben viele damit Schwierigkeiten. Mein Zwergi z.B. ist zwar

immer zum Holz gelaufen aber dann ist sie auch gleich dort geblieben und hat

herumgespielt und daran gekaut. Mittlerweile haben wir ein Stück Strick, das sie

brav bringt. Nur leider will sie es nicht halten und schmeißt es mir vor die Füße.

Ich für meinen Teil habe bei dieser Übung wirklich resigniert und mich damit

abgefunden, daß mein Hund das eben nicht machen will. Ich bin mir nämlich

ziemlich sicher, daß sie genau weiß was ich von ihr erwarte. Sie macht das alles

mit wahrer Freude aber halt leider nicht so wirklich richtig. "

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Hallo Barbara und alle anderen !

Nicht resignieren ! Auch Dein Hund lernt das "richtige" Apportieren ! Schön ist, dass Du das

Apportieren zunächst auf dem Spiel heraus probiert hast. Das ist ein guter Anfang.

Das Problem ist allerdings, dass junge Hunde viel zu gerne mit den Apportiergegenständen

spielen. Nach Deiner Beschreibung besteht im Moment bei Zwergi das Apportieren aus

einem großen Anteil Spiel und einem kleineren Anteil Arbeit. Das ist für den Anfang ganz

gut, sollte aber schnell in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Meiner Ansicht nach mußt Du

jetzt Schritt für Schritt das "richtige" Apportieren aufbauen:

Ich gehe davon aus, dass Dein Hund "Sitz und bleib" ohne Apportierbock (bzw. Strick)

vollkommen beherrscht und daß er auf Abruf zu dir herkommt und sich vor Dich hinsetzt.

Das sind wichtige Grundlagen für das Apportieren. Das muß ohne Apportierbock absolut

sicher klappen, sonst brauchst Du das "richtige" Apportieren noch gar nicht anfangen.

Wenn das aber alles bestens funktioniert, dann solltest Du einen möglichst leichten und

weichen Apportierbock verwenden. Am einfachsten nimmst Du eine aufgerollte

Tageszeitung, wickelst sie in ein altes T-Shirt ein und machst zwei Gummiringe rum, damit

das Ganze zusammenhält. Dieser Apportierbock kostet nichts, ist schnell gemacht und hat

einen wesentlichen Vorteil: Er ist sehr weich und nachgiebig. Damit dieser "Bock" nicht

vermodert, mußt Du ihn trocken und luftig aufbewahren und vielleicht die Zeitung und das

alte T-Shirt ab und zu ersetzen. Ein Apportierbock darf keinen unangenehmen Geruch für

den Hund haben, daran muß man immer denken. Man erspart sich dadurch viele

unerklärliche Probleme beim Ausbilden.

Niemals sollte man Hundespielzeug zum Üben verwenden. Spielzeug ist zum Spielen da,

der Apportierbock ist ein Arbeitsgerät. Diese Trennung muß Dein Schüler lernen.

Das "richtige" Apportieren baut man Schritt für Schritt auf. Laß Dir für jeden Schritt genügend

Zeit. Jeder einzelne Schritt muß absolut sicher sitzen, bevor Du zum nächsten weitergehst.

Alles andere ist Pfusch !!!

Eine Mauer aus Mauersteinen kann man auch nur dann höher und höher mauern, wenn die

unteren Lagen der Mauersteine bereits in absolut festem Mörtel sitzen. Wer zu schnell auf

weichen, wackeligen Steinreihen weitermauert, dem fällt die ganze Arbeit irgendwann um.

Es kommt nicht darauf an, wie schnell Dein Hund "richtig" apportieren lernt, sondern es ist

wichtig, dass er es "richtig" lernt ! Die Zeit darf also gar keine Rolle spielen.

Der Landwirt, der im Spätherbst sät, kann auch erst im Sommer ernten. Der braucht noch

viel mehr Geduld.

Es kann durchaus sein, dass ein Hund mehrere Tage braucht, um einen Schritt zu lernen,

das ist nicht außergewöhnlich. Das muß Dich also nicht beunruhigen. Niemals solltest Du mit

einem jungen Hund länger als 10 Minuten konzentriert üben (auf die Uhr schauen !). Sonst

ist ein Welpe einfach überfordert. Konzentration ist sehr anstrengend für ihn. Während dieser

zehn Minuten mußt Du nach außen immer gute Laune zeigen. Deine Stimmung überträgt

sich unweigerlich auf den Hund !

Und immer solltest Du genau dann mit dem Üben aufhören, wenn gerade eine Teilaufgabe

sauber geklappt hat.

Niemals aufhören, wenn es nicht geklappt hat, dann lieber zu einer anderen Disziplin

übergehen, die der Hund sauber beherrscht. Nach dem Üben darf mein Hund sich immer

austoben. Das lockert seine eingeschüchterte Hundeseele sofort wieder auf. So bekommst

Du einen lernfreudigen Schüler. Wir üben möglichst oft am Tag, aber wie gesagt, niemals

länger als 10 Minuten konzentriert am Stück.

Und noch eins: Es gibt Tage, da bin ich nicht gut drauf, da sollte ich eigentlich meinem Ärger

richtig Luft machen. An der richtigen Stelle natürlich. Statt dessen laufe ich rum wie ein

Pulverfaß, das beim kleinsten Funken in die Luft geht. Es versteht sich von selbst, dass ich

in einer solchen Stimmung n i c h t mit meinem Hund zum Übern gehe.

Jetzt aber endlich zum Apportieren:

1. Schritt: Sitzen und Apportierbock fassen

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Den Hund sitzen lassen "Sitz und bleib !", das Maul sanft öffnen und gleichzeitig mit dem

Kommando "Apport" schiebst Du den Apportierbock sachte unmittelbar dicht hinter die

Fangzähne. Nicht weiter reinschieben! Dabei mußt Du sorgfältig darauf achten, dass die

Lefzen nicht zwischen Zähne und Apportierbock eingeklemmt werden.

Zunächst drückst Du die Schnauze sachte (!) zu und hältst sie zu. So muß der Hund mit dem

Apportierbock sitzen bleiben.

Hat der Hund seine Lefzen zwischen Holz und Zähnen eingeklemmt, dann hält er den Bock

nicht lange, weil es ihm einfach weh tut. Man sieht das nicht und wundert sich nur, warum er

das Holz immer fallen lässt. Bei der umwickelten Zeitungrolle ist diese Gefahr äußerst

gering, denn sie gibt ganz leicht nach !

Trotzdem mußt Du unbedingt darauf achten, dass der Bock nicht auf die Lefzen drückt. Dazu

alle vier Lefzen sorgfältig nach außen ziehen, schau ruhig mal genau rein in den Fang

Deines Hundes, dann siehst Du, was ich damit meine. Man kann um hölzerne

Apportierböcke auch ein Stoff- oder Fellpolster nähen. Hat der Hund erst mal gelernt, den

Gegenstand selber aufzunehmen, dann sind die Lefzen im Allgemeinen kein Problem mehr.

Aber es gibt auch Ausnahmen. Beobachten ! Kontrollieren !

2. Schritt: Mit dem Bock im Fang sitzen bleiben

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Wenn Schritt 1 klappt, dann muß der Hund lernen sitzen zu bleiben. Das mußt Du immer

wieder üben und zwar solange, bis zehn "Kannibalen in voller Kriegsausrüstung" laut grölend

um Deinen sitzenden Hund tanzen können, ohne dass der den Apportierbock fallen läßt. Die

Rolle der grölenden Kannibalen können andere Familienmitglieder übernehmen. Dieser

zweite Schritt ist ein wichtiger Schritt. Bitte n i c h t übergehen ! Erst weitermachen, wenn

der Hund wenigstens eine Minute lang den Bock absolut sicher (!!!) im Fang behält und sich

auch durch verschiedene Ablenkungen nicht stören läßt !

3. Schritt: Abrufen aus der Sitzposition

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Erst wenn Schritt 2 problemlos und absolut sicher klappt und auf keinen Fall vorher, kannst

Du den Hund aus der Sitzposition mit dem Apportiergegenstand abrufen. Er soll mit dem

Bock im Fang auf Dich zulaufen. Geh nie weit weg vom Hund, so daß Du wenn nötig immer

mit der Hand eingreifen kannst. Während Du langsamen rückwärts gehst, lobst Du mit

sanften leisen Tönen den Hund ausgiebig. Aber haarscharf genau in dem Moment, wo er

einen Fehler macht (z.B. den Bock fallen läßt) sagst Du ein energisches "Nein" (oder "Pfui"

oder was auch immer Du verwendest) und korrigierst oder wiederholst die Übung von vorne.

Aber nie sauer werden, nie ausrasten, nie brüllen. Sei wie ein guter Schauspieler, der immer

nur heitere Szenen spielen muß. Das ist ganz wichtig, denn Deine Stimmung überträgt sich

unweigerlich auf den Hund. Auch wenns Dir noch so sehr stinkt: Immer eine freundliche

Miene aufsetzen und freundlich sein zum Hund. Nur in dem Moment, wo er einen Fehler

macht sagst Du ein lautes scharfes "Nein". Das ist alles, was er an Kritik braucht. Mehr nicht

! .Außer diesem scharfen "Nein" gibt es kein Gemecker dem Hund gegenüber. Schluck

Deinen Ärger runter. Zeige ihn nie dem Hund. Das ist ganz wichtig ! Das kurze scharfe

"Nein" wird immer im gleichen Tonfall gesprochen, dann prägt sich das dem Hund am besten

und schnellsten ein.

Hast Du den Eindruck, dass der Hund beim Gehen den Bock sicher hält, kannst Du auch mal

zusammen mit dem Hund losrennen, einfach losrennen ohne Ziel. Vielen Hunden macht das

richtig Spaß mit dem Bock im Fang zu rennen. Das lockert die Stimmung des Hundes

ungeheuer auf. Viele Hunde gehen mit dem Bock nämlich zunächst ganz vorsichtig wie auf

rohen Eiern und ganz langsam. Das Rennen gibt ihnen dann zusätzliche Sicherheit im

Umgang mit dem Bock. Dabei muss aber der Bock immer im Fang bleiben, der Hund darf

nie anfangen mit dem Apportierbock zu spielen !!!

Wenn der Hund von Dir weglaufen will, muß er unbedingt an die lange Leine.

Weglaufen darf er unter gar keinen Umständen und auch das Spielen mit dem Bock ist ihm

streng verboten.

4. Schritt: "Herkommen und Vorsitzen"

Als Nächstes folgt nach dem Abrufen und Herkommen das Vorsitzen mit Halten des

Apportiergegenstands. Wichtig ist , dass der Hund möglichst dicht an Dich herankommt, so

dass Du mit der Hand notfalls korrigieren oder unterstützen kannst, wenn das Hinsetzen mit

dem Bock im Fang nicht richtig klappt.

5. Schritt "Vorsitzen"

Dem Vorsitzen kommt eine besondere Bedeutung zu. Der Hund muß lernen sich mit dem

Bock im Maul vor Dich hinzusetzen und sitzen zu bleiben, Dich anzuschauen und den Bock

nicht fallen zu lassen.

Oft wird der Fehler gemacht, dass man den Bock sofort nach dem Hinsitzen mit "Aus"

abnimmt: Falsch ! Völlig falsch ! Der Hund verknüpft dann "Sitzen" mit "Aus" und läßt den

Bock dann immer zu früh fallen. Auch wenn Du jetzt kurz vor dem Ziel der ganzen

Übungskette bist, beherrsche Dich, halte Dich zurück, gib noch nicht das Kommando "AUS",

so verlockend das auch für Dich sein mag ! Sorge dafür, daß der Hund den Bock im Fang

behält. Genau hier wird der entscheidende Fehler gemacht.

Richtig ist: Der Hund muß herkommen, vorsitzen, sitzenbleiben und den Bock weiterhin

halten. Alles andere ist Pfusch !

Das Kommando "AUS" kommt erst viel, viel später !!!

Jetzt müssen nämlich erstmal wieder die "zehn Kannibalen" auftreten und der Hund muß

wieder sitzen bleiben wie eine Eins.

Oft kreise ich mit den Armen vor dem Hund, wie mit Windmühlenflügeln, oft mache ich mit

den Händen genau die Bewegung, mit der ich später dem Hund das Holz abnehmen werde.

Ziehe die Hände dann aber sofort wieder weg. Oft klatsche ich in die Hände, um den Hund

abzulenken. Der Hund muß den Bock trotzdem absolut sicher festhalten ! Komme was da

wolle ! Nicht verzagen ! Üben, üben, üben, er lernt das alles !

Der Wolf, der ein Stück Fleisch ergattert hat und damit wegrennt läßt es auch nicht fallen,

nur weil ihn die anderen Wölfe anrempeln und anknurren. Du verlangst also nur ganz

natürliche Dinge von Deinem Hund.

6. Schritt "AUS"

Die Schritte 1-5 müssen absolut sauber sitzen, dann erst gehts weiter:

Erst auf das Kommando "Aus" darf der Hund den Bock ausgeben ! Also nochmals: Ganz

wichtig ist meiner Ansicht nach, dass der Hund nach dem Hinsitzen noch eine Weile den

Bock im Fang behält ! Er darf den Bock erst loslassen, wenn Du das Kommando "Aus" gibst.

Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass das manchmal lange dauert und furchtbar frustriert, bis

der Hund endlich alles begriffen hat. Es liegt aber immer am Lehrmeister, nie am Hund, das

muss man sich klar machen ! Jeder gesunde Hund kann sitzen, aufstehen, laufen und sich

wieder hinsetzen und dabei etwas im Fang behalten. Das ist für einen Hund eine ganz und

gar natürliche Sache. Das Besondere daran ist, daß es unter Deinem Kommano abläuft.

Auf keinen Fall darf man den Mut verlieren oder gar ausrasten. Hundeerziehung erfordert

eine ungeheure Selbstdisziplin und schauspielerisches Talent. Auch wenn es Dir i n n e r l i

c h noch so sehr stinkt, mußt Du nach a u ß e n Unwillen und Freude immer deutlich und

sauber dosieren und ganz haarscharf exakt zum richtigen Zeitpunkt einsetzen. Es gibt

Hunde, die eine hohe Dosis brauchen und es gibt Hunde, die mit geringen Dosen

auskommen. Das erfordert Umsicht, Feingefühl und absolute Selbstbeherrschung vom

Abrichter.

Schauspielerisches Talent ist gefragt bei der Hundeerziehung! Wenn Du immer auf diese

Weise Deinen Hund erziehst, wirst Du staunen, wie schnell er lernt. In den Augen Deines

Hundes avancierst Du nämlich dadurch zu einem klugen, zielstrebigen, verläßlichen

Leithund, dem er absolutes Vertrauen schenken kann. Das ist die Grundlage für eine saubere

Hundeerziehung.

Viele Grüße

aus dem Wilden Südwesten

Reinhold

Thema: Apportieren


 
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