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02.11.01 -- Picasso

RE: Suche Sprüche, Gedichte und Nachdenkliches rund um den Hund














"WIE KONNTEST DU NUR?"

Als ich noch ein Welpe war, unterhielt ich Dich mit meinen Possen und brachte Dich zum
Lachen. Du nanntest mich Dein Kind, und trotz einer Anzahl durchgekauter Schuhe und so
manchem abgeschlachteten Sofakissen wurde ich Dein bester Freund. Immer, wenn ich böse war,
erhobst Du Deinen
Zeigefinger und fragtest mich "Wie konntest Du nur?" - aber dann gabst Du nach und drehtest
mich auf den Rücken, um mir den Bauch zu kraulen.

Mit meiner Stubenreinheit dauerte es ein bisschen länger als erwartet, denn Du warst furchtbar
beschäftigt, aber zusammen bekamen wir das in den Griff. Ich erinnere mich an jene Nächte, in
denen ich mich im Bett an Dich kuschelte und Du mir Deine Geheimnisse und Träume
anvertrautest, und ich glaubte, das Leben könnte schöner nicht sein. Gemeinsam machten wir
lange Spaziergänge im Park, drehten Runden mit dem Auto, holten uns Eis (ich bekam immer nur
die Waffel, denn "Eiskrem ist schlecht für Hunde", sagtest Du), und ich döste stundenlang in der
Sonne, während ich auf Deine abendliche Rückkehr wartete.

Allmählich fingst Du an, mehr Zeit mit Arbeit und Deiner Karriere zu verbringen und auch damit,
Dir einen menschlichen Gefährten zu suchen.

Ich wartete geduldig auf Dich, tröstete Dich über Liebeskummer und Enttäuschungen hinweg,
tadelte Dich niemals wegen schlechter Entscheidungenund überschlug mich vor Freude, wenn Du
heimkamst und als Du Dich verliebtest.

Sie, jetzt Deine Frau, ist kein "Hundemensch" - trotzdem hieß ich sie in unserem Heim
willkommen, versuchte ihr meine Zuneigung zu zeigen und gehorchte ihr. Ich war glücklich weil
Du glücklich warst.

Dann kamen die Menschenbabies, und ich teilte Deine Aufregung darüber. Ich war fasziniert von
ihrer rosa Haut und ihrem Geruch und wollte sie genauso bemuttern.
Nur dass Du und Deine Frau Angst hattet, ich könnte ihnen wehtun, und so verbrachte ich die
meiste Zeit verbannt in einem anderen Zimmer oder in meiner Hütte.
Oh, wie sehr wollte auch ich sie lieben, aber ich wurde zu einem "Gefangenen der Liebe".
Als sie aber größer waren, wurde ich ihr Freund. Sie krallten sich in meinem Fell fest, zogen
sich daran hoch auf wackligen Beinchen, pieksten ihre Finger in meine Augen, inspizierten meine
Ohren und gaben mir Küsse auf die Nase. Ich liebte alles an ihnen und ihre Berührung denn
Deine
Berührung war jetzt so selten geworden - und ich hätte sie mit meinem Leben verteidigt, wenn es
nötig gewesen wäre. Ich kroch heimlich in ihre Betten, hörte ihren Sorgen und Träumen zu, und
gemeinsam warteten wir auf das Geräusch Deines Wagens in der Auffahrt.

Es gab einmal eine Zeit, da zogst Du auf die Frage, ob Du einen Hund hättest, ein Foto von mir
aus der Brieftasche und erzähltest Geschichten über mich. In denletzten Jahren hast Du nur noch
mit "Ja" geantwortet und das Thema gewechselt. Ich hatte mich von "Deinem Hund" in "nur einen
Hund" verwandelt, und jede Ausgabe für mich wurde Dir ein Dorn im Auge.

Jetzt hast Du eine neue Berufsmöglichkeit in einer anderen Stadt, und Du und sie werdet in eine
Wohnung ziehen, in der Haustiere nicht gestattet sind. Du hast die richtige Wahl für "Deine"
Familie getroffen, aber es gab einmal eine Zeit, da war ich Deine einzige Familie.

Ich freute mich über die Autofahrt, bis wir am Tierheim ankamen. Es roch nach Hunden und
Katzen, nach Angst, nach Hoffnungslosigkeit. Du fülltest die Formulare aus und sagtest "Ich weiß,
Sie werden ein gutes Zuhause für
sie finden". Mit einem Achselzucken warfen sie Dir einen gequälten Blick zu. Sie wissen, was
einen Hund oder eine Katze in "mittleren" Jahren erwartet auch mit "Stammbaum".

Du musstest Deinem Sohn jeden Finger einzeln vom Halsband lösen, als er schrie "Nein, Papa!
Sie dürfen mir meinen Hund nicht wegnehmen!" Und ich machte mir Sorgen um ihn und um die
Lektionen, die Du ihm gerade beigebracht hattest: über Freundschaft und Loyalität, über Liebe
und Verantwortung, und über Respekt vor allem Leben.

Zum Abschied hast Du mir den Kopf getätschelt, meine Augen vermieden und höflich auf das
Halsband und die Leine verzichtet. Du hattest einen Termin einzuhalten, und nun habe ich auch
einen.

Nachdem Du fort warst, sagten die beiden netten Damen, Du hättest wahrscheinlich schon seit
Monaten von dem bevorstehenden Umzug gewusst und nichts unternommen, um ein gutes Zuhause
für mich zu finden. Sie schüttelten den Kopf und fragten "Wie konntest Du nur?".
Sie kümmern sich um uns hier im Tierheim so gut es eben geht. Natürlich werden wir gefüttert,
aber ich habe meinen Appetit schon vor Tagen verloren.
Anfangs rannte ich immer vor ans Gitter, sobald jemand an meinen Käfig kam, in der Hoffnung,
das seiest Du - dass Du Deine Meinung geändert hättest - dass all dies nur ein schlimmer Traum
gewesen sei ...oder ich hoffte, dass es zumindest jemand wäre, der Interesse an mir hätte und
mich retten könnte.

Als ich einsah, dass ich nichts aufzubieten hatte gegen das vergnügte
Um-Aufmerksamkeit-Heischen unbeschwerter Welpen, ahnungslos gegenüber ihrem eigenen
Schicksal, zog ich mich in eine ferne Ecke zurück und wartete.

Ich hörte ihre Schritte als sie am Ende des Tages kam, um mich zu holen und trottete hinter ihr her
den Gang entlang zu einem abgelegenen Raum. Ein angenehm ruhiger Raum.
Sie hob mich auf den Tisch und kraulte meine Ohren und sagte mir, es sei alles in Ordnung. Mein
Herz pochte vor Aufregung, was jetzt wohl geschehen würde, aber da war auch ein Gefühl der
Erleichterung. Für den Gefangenen der Liebe war die Zeit abgelaufen.

Meiner Natur gemäss war ich aber eher um sie besorgt. Ihre Aufgabe lastet schwer auf ihr, und
das fühlte ich, genauso wie ich jede Deiner Stimmungen erfühlen konnte.
Behutsam legte sie den Stauschlauch an meiner Vorderpfote an, während eine Träne über ihre
Wange floss. Ich leckte ihre Hand, um siezu trösten, genauso wie ich Dich vor vielen Jahren
getröstet hatte.

Mit geübtem Griff führte sie die Nadel in meine Vene ein. Als ich den Einstich fühlte und spürte,
wie die kühle Flüssigkeit durch meinen Körper lief, wurde ich schläfrig und legte mich hin,
blickte in ihre gütigen Augen und flüsterte "Wie konntest Du nur?".
Vielleicht verstand sie die Hundesprache und sagte deshalb "Es tut mir ja so Leid". Sie umarmte
mich und beeilte sich mir zu erklären, es sei ihre Aufgabe dafür zu sorgen, dass ich bald einem
besseren Ort wäre, wo ich weder ignoriert noch missbraucht noch ausgesetzt werden könnte oder
auf
mich allein gestellt wäre - einem Ort der Liebe und des Lichts, vollkommen anders als dieser
irdische Ort.

Und mit meiner letzten Kraft versuchte ich ihr mit einem Klopfen meines Schwanzes zu verstehen
zu geben, dass mein "Wie konntest Du nur?" nicht ihr gegolten hatte.
Du warst es, mein geliebtes Herrchen, an den ich dachte. Ich werde für immer an Dich denken
und auf Dich warten.

Möge Dir ein jeder in Deinem Leben so viel Loyalität zeigen.

Copyright Jim Willis 2001
Thema: Suche Sprüche, Gedichte und Nachdenkliches rund um den Hund


 
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